: Schuldlos an „Prestige“-Ölpest
KATASTROPHEN Freisprüche im Fall des 2002 gesunkenen Tankers: Spanisches Gericht sieht keine direkten Verantwortlichen
AUS MADRID REINER WANDLER
Die größte Ölpest der spanischen Geschichte bleibt ohne direkte strafrechtliche Folgen. Genau elf Jahre nach dem ersten SOS des liberianischen Öltankers „Prestige“ vor der nordwestspanischen Küste wurden am Mittwoch alle drei Angeklagten weitgehend freigesprochen. Niemand sei für das Unglück im November 2002 strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, entschied das Landgericht in der Hafenstadt La Coruña. Es stehe nicht fest, was das Unglück genau ausgelöst habe, sagte der Vorsitzende Richter Juan Luis Pía.
Den Kapitän des Tankers, Apostolos Mangouras, verurteilte das Gericht allerdings zu neun Monaten Haft – wegen Befehlsverweigerung. Wegen seines hohen Alters muss der Kapitän nicht hinter Gitter. Der 78-jährige Grieche hatte sich damals dem Befehl widersetzt, sein Schiff auf hohe See schleppen zu lassen. Die spanischen Behörden veranlassten dies schließlich doch. Sechs Tage später brach die „Prestige“ 250 Kilometer vor der Küste auseinander und versank in den Fluten.
Über 60.000 Tonnen Schweröl gelangten so ins Meer und verseuchten die Atlantikküste auf einer Länge von 1.700 Kilometern. Die umstrittene Maßnahme, das Schiff nicht in einen Hafen zu bringen, verschlimmerte die Katastrophe erheblich.
Auch der damalige Chef der Schifffahrtsbehörde wurde freigesprochen. Deshalb muss der spanische Staat für den entstandenen Schaden nicht aufkommen. Zivilrechtlich seien – so das Gericht in La Coruña – nur die Versicherung des Reeders sowie das American Bureau of Shipping (ABS), das dem 26 Jahre alten Schiff damals Seetauglichkeit bestätigt hatte, mitverantwortlich. Der spanische Staat ist in den USA bereits mit dem Vorhaben gescheitert, vom ABS eine Entschädigung einzuklagen.
Die Entscheidung, das Schiff so weit wie möglich auf das offene Meer zu schleppen, sei – so das Urteil – „umstritten, aber teilweise effektiv“ gewesen. Politisch verantwortlich für die Entscheidung war auch der damalige Vizeregierungschef und heutige Premier Mariano Rajoy. Er hatte damals erklärt, dass sich das Öl in großer Tiefe verfestigen würde und somit keine Gefahr bestünde, sollte die „Prestige“ untergehen. 300.000 Freiwillige aus ganz Europa reinigten damals in Eigenregie große Teile der Küste. Die Staatsanwaltschaft hat die Schadenssumme auf 4,3 Milliarden Euro beziffert. „Dieses Geld wird nun niemand zahlen müssen“, schrieb El País in seiner Online-Ausgabe.
In Ecuador hat dagegen der oberste Gerichtshof den US-Ölmulti Chevron zu einer Geldstrafe von 9,51 Milliarden Dollar (gut 7 Milliarden Euro) verdonnert. Das Gericht bestätigte am Dienstag die in Urteilen von 2011 und 2012 festgestellte Schuld des US-Konzerns, reduzierte die Geldstrafe aber um fast 10 Milliarden Dollar. Rund 30.000 Bewohner der Provinz Sucumbios im Nordosten Ecuadors hatten sich zu einer Opfervereinigung zusammengeschlossen. Sie werfen Chevron vor, Milliarden Liter giftiger Ölabfälle im Regenwald entsorgt und damit Böden wie Flüsse verschmutzt zu haben.