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Archiv-Artikel

Report der Kronzeugen

VOR DER WM Nicht leicht zu finden: zwei Bücher über Fußball in Afrika, die (fast) ohne Klischees auskommen

Nichts scheint schwieriger, als ein gutes Buch über Afrika zu schreiben. In der Fülle der Fußballbücher, die im Vorfeld der Weltmeisterschaft erschienen sind, kommen die althergebrachten Klischees und Mythen wieder zum Vorschein, nicht mal versteckt, sondern in vollen Zügen: der geknechtete Kontinent, der Animismus, der Hang zu Magie und Okkultismus, kindische und verspielte Charaktere, das heillose Durcheinander und die mangelnde Reife des Gemeinwesens. Gleichzeitig wird das Image vom Sandplatzkicker beschworen, der nicht viel braucht, um dem Fußball seine Liebe zu erklären. Das ist bisweilen kitschig und auf der anderen Seite sehr bemüht.

Jetzt, da es mal nicht um ernste Sachen wie Bürgerkrieg oder Kindersoldaten geht, werden Fußballgeschichten erzählt, die Hoffnung spenden – und deren Problem darin besteht, dass sie oftmals zu gut gemeint sind. Der Fußball, schon immer Projektionsfläche für Zuschreibungen aller Art, ist auch in Südafrika manipulativ einsetzbar.

Ist es nicht zum Schreien witzig, wenn Omas Fußball spielen oder ein Hühnerknochen im Mittelkreis verbuddelt wird, wenn die Kicker vor wichtigen Matches in einer braunen Soße baden, die vom Medizinmann angerührt wird? Wirklich, diese Afrikaner sind schon putzig.

Es gibt sie trotzdem, die guten Fußballbücher über Afrika. Den Autoren gelingt es, die Klischees zu umschiffen oder wenigsten nicht so penetrant zur Blüte zu bringen, dass man nicht umhin kommt, sie anzuglotzen. Man kann tatsächlich so nah dran sein am Geschehen, dass Fußballgeschichten so etwas wie Wahrhaftigkeit vermitteln.

Europa, eine Zumutung

Da ist zum Beispiel Christian Ewers vom Stern, der in bester Manier seinen Job als Reporter verrichtet: Er schreibt das gekonnt auf, was er erlebt hat. Er vernimmt Kronzeugen des afrikanischen Fußballs, von denen sonst nichts zu lesen ist, etwa den Spielervermittler aus Deutschland, der sich rührend um seine Klienten aus Westafrika kümmert, Therapeut, Jurist, Herbergsvater und Karriereplaner in einem ist und seinen Jungs ein Leitmotiv des Spitzenspielers Samuel Eto’o einzubläuen versucht: „Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer“.

Ewers arbeitet sehr schön heraus, warum Europa eine einzige Zumutung für ein junges afrikanisches Talent ist. Alles ändert sich, vom Wertesystem bis zu den Ansprüchen an den Spieler. Nur wenige sind dem gewachsen. Ewers lässt afrikanische Spieler seitenweise zu Wort kommen, beispielsweise Ibrahim Sunday, der in den Siebzigern ein Spiel für Werder Bremen gemacht hat: „Deutschland hat mich zerstört als Spieler und groß gemacht als Trainer.“

Gelungen ist auch das Buch „Tod den Pavianen!“ von Cathrin Hennicke und Claus Stäcker. Hennicke hat in Kapstadt studiert, Stäcker ist seit 2008 ARD-Hörfunkkorrespondent in Johannesburg. Ihr Buch widmet sich weitgehend der südafrikanischen Fußballfankultur, dem Treiben der „Number 1 Supporters“ der beiden Großklubs von Soweto, den Kaizer Chiefs und Orlando Pirats. Es führt den Leser ins Universum skurriler Typen, die von sich behaupten, jene Tröte, die Vuvuzela, erfunden zu haben oder den bunten Bauhelm, den Makarapa, der auf keinem echten Fankopf fehlen darf. Die Schilderungen der Fankultur könnten reine Folklore sein, wenn Hennicke und Stäcker nur über die Fans reden würden, aber zum Vergnügen des Lesers reden sie mit ihnen. Sie gehen in finstere Ecken von Townships und Squattercamps, scheuen nicht den Kontakt. Auch hier wird in bestem Sinne berichtet, unvoreingenommen, informativ und wenig klischeehaft.

MARKUS VÖLKER

Christian Ewers: „Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer“. Gütersloher Verlagshaus, 164 Seiten, 17,95 Euro

■ Cathrin Hennicke/Claus Stäcker: „Tod den Pavianen! Fußballwahnsinn in Südafrika“. Oktober Verlag, Münster 2010, 421 Seiten, 14 Euro