: Sanierer Vorkötter wechselt die Baustelle
Die plötzliche Ablösung von „FR“-Chef Storz und Berufung Vorkötters belebt Spekulationen um „FR“-Käufer wieder
Wenn Uwe Vorkötter spätestens am 1. Juli sein Amt als Chefredakteur der Frankfurter Rundschau antritt, dürfte er dort eine Situation vorfinden, die er aus Berlin schon kennt: Auch wenn in Frankfurt seit 2001 mehr als die Hälfte der Stellen im Gesamtunternehmen gestrichen wurden, schreibt das Blatt mit den verbleibenden 720 Stellen weiterhin rote Zahlen. Doch Vorkötter hat bei der Berliner Zeitung vorgeführt, wie eine Redaktion trotz umfangreichen Personalabbaus eine beachtliche Qualität halten kann. Dieses Kunststück soll er nun erneut vollbringen.
Die plötzliche und für FR-Verhältnisse rabiate Abberufung von Chefredakteur Wolfgang Storz zeigt, wie kritisch die Lage beim linksliberalen Traditionsblatt immer noch ist. Denn nun scheinen die ursprünglich schon für den Herbst 2005 angekündigten Sparmaßnahmen wieder aufs Tapet zu kommen. Damals sollte die erst bei der letzten Blattreform 2004 eingeführte tägliche Beilage „FR plus“ sowie der überregionale Teil der FR massiv Federn lassen, auch von einer weiteren Schröpfung der Honorare für freie Mitarbeiter war die Rede. Storz hatte damals die Einschnitte nicht mittragen wollen – und bis Dienstag sah es so aus, als habe er gesiegt.
Der neue Chefredakteur Vorkötter findet sich in Frankfurt plötzlich in der Position der Heuschrecke wieder, anders als in Berlin hat er zumindest derzeit die Redaktion gegen sich: „Die Redaktion nimmt die Entscheidung des Mehrheitsgesellschafters zur Kenntnis, legt aber Wert auf die Feststellung, dass sie die Entlassung des Chefredakteurs nicht billigt“, hieß es auf der Titelseite der gestrigen Ausgabe.
Immerhin eins könnte die Frankfurter RedakteurInnen hoffnungsvoll stimmen: Der studierte Volkswirt Vorkötter galt in seiner Zeit als Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung als Wirtschaftsliberaler par excellence. Seine Erfahrungen mit den Neubesitzern der Berliner Zeitung, einem Investorenkonsortium um den Medienunternehmer David Montgomery, haben hier aber offenbar für ein Umdenken gesorgt. Den Grundsätzen der nach FR-Gründer Karl Gerold benannten Stiftung, die das linksliberale Profil der Zeitung auch in Zukunft garantieren soll, muss sich jedenfalls auch der neue Chefredakteur unterwerfen.
Während die FAZ wegen der Personalie Vorkötter eine Übernahme der FR durch den Holtzbrinck-Konzern für wahrscheinlicher hält, könnte die überraschende Personalentscheidung genauso gut für den bisherigen Favoriten Madsack sprechen, der sowohl das nötige Geld hat als auch den Investitionswillen und zudem in Hessen schon aktiv ist. Obwohl FR-Verkäufer Jens Berendsen einen Zusammenhang zwischen Vorkötters Berufung und einem bevorstehenden Geschäftsabschluss dementiert hat („Es gibt keinen neuen Käufer“), scheint es unwahrscheinlich, dass sich ein künftiger Investor bei einer so wichtigen Personalentscheidung wie der Berufung eines neuen Chefredakteurs vor vollendete Tatsachen stellen lässt. Es sei denn, der Verkäufer und der künftige Miteigentümer säßen im selben Boot: Als Geschäftsführer der DDVG ist Berendsen auch Herr über den 20,4-Prozent-Anteil, den die SPD-Holding an der Verlagsgruppe Madsack hält. STG, DENK