Einheitsfront für deutsche Biobauern
Experten und Abgeordnete aller Parteien wollen die geplante EU-Öko-Verordnung kippen. Denn sie weiche die Kriterien auf und sei verbraucherfeindlich. Auch die Kontrollen würden weniger streng. Nun bekommt die EU einen Brief vom Bundestag
Die EU verunsichert viele Bauern, die ihre Höfe auf Ökolandbau umstellen wollen
AUS BERLINANNETTE JENSEN
So einig waren sich Parlamentarier aller Parteien selten: Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Öko-Verordnung gehört in den Papierkorb. Zuvor hatten die Abgeordneten im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz fünf Experten befragt – und auch deren Stellungnahmen unterschieden sich nur marginal.
Die EU will die Standards für Öko-Produkte und deren Herstellung europaweit vereinheitlichen. Kritiker befürchten aber, dass dadurch die bislang strengen deutschen Kriterien aufgeweicht werden. Hiesige Biosiegel, die hohes Vertrauen bei den Verbrauchern genießen, sollen nach den EU-Plänen nicht mehr auf ihre strengen Kriterien hinweisen dürfen, monierte zum Beispiel Thomas Dosch vom Anbauverband „Bioland“: „Man sagt uns, wir seien nichts anderes als internationale Handelshemmnisse“, empörte er sich. Dabei berge gerade die Einführung von „EU-Einheits-Bio“ die Gefahr, dass der Wettbewerb behindert werde, weil dann alle Produkte gleichwertig erschienen.
Es sei inakzeptabel, dass die EU-Kommission allein definieren wolle, wie Biobauern zu ackern hätten, monierten mehrere Sachverständige. Zugleich eröffnet die EU-Verordnung aber auch Pseudobioprodukten neue Chancen. Schwammige Begriffe wie „naturnah“ sollen wieder zulässig sein.
Über einen anderen Punkt herrschte ebenfalls Einigkeit: Auch die Kontrolle von Bio-Waren, die außerhalb der EU hergestellt werden, würde schwächer. Obwohl dieser Teil der Verordnung bereits Anfang 2007 in Kraft treten soll, fehlt noch jede Durchführungsbestimmung. So ist unklar, was mit „gleichwertigen“ Produktionsstandards und Kontrollregelungen gemeint ist. „Im Prinzip geht es um einen Angriff auf den deutschen Markt“, formulierte Bauernverbandsfunktionär Heinrich Bassewitz seine Sicht. Dosch warnte hingegen davor, protektionistische Töne anzuschlagen. „Wir wollen keinen Konsumpatriotismus.“
Seit der Vorschlag der EU-Kommission im Dezember vorliegt, herrscht große Unsicherheit in der deutschen Ökoszene. Zwar tragen sich viele Bauern mit dem Gedanken, ihren Hof auf ökologische Wirtschaftsweise umzustellen; schließlich wuchs die Nachfrage nach Biokartoffeln, -äpfeln und -wurst im vergangen Jahr um 15 Prozent. „Aber jetzt warten erst mal alle ab, weil völlig unklar ist, wie es weitergeht“, beschreibt Jochen Neuendorff von der Konferenz der Kontrollstellen die Situation.
Die bündnisgrüne Abgeordnete Ulrike Höfken schlug zum Ende der Ausschusssitzung vor, einen fraktionsübergreifenden Antrag zu verfassen, der auf eine Änderung der EU-Vorschläge abzielt – und erntete breite Zustimmung. Auch einen Protestbrief an die EU-Kommission wollen die Abgeordneten schreiben.