: Bedrohtes Vogelglück im Hafengebiet
Umweltsenator feiert 100 Jahre staatliche Vogelschutzwarte, indem er eine Möwenkolonie besucht. Vor sechs Jahren sollte deren Brutgebiet für eine Gewerbeansiedlung geräumt werden. Das könnte jederzeit wieder passieren
Auf der Hohen Schaar zwischen Altenwerder und Wilhelmsburg brütet zwischen Tanklagern und Raffinerieanlagen die größte binnenländische Sturmmöwenkolonie Europas. Umweltsenator Michael Freytag hat hier gestern den hundertsten Geburtstag der staatlichen Vogelschutzwarte gefeiert, der weltweit ältesten Institution ihrer Art. Doch das Vorzeige-Vogelglück ist bedroht, denn für den Hafen hat der Senat umstrittene Ausnahmen vom Naturschutzgesetz geschaffen. „Im Hafen gibt es keine gesicherten Flächen“, sagt der BUND-Landesvorsitzende Harald Köpke.
Die Brache am Blumensandhafen, auf der Freytag gestern den Vogelschutz hochleben ließ, sollte vor sechs Jahren bebaut werden. Die Umweltverbände protestierten, der Interessent für das Grundstück winkte ab, die 3.000 Möwenpaare, darunter 300 Paare der seltenen Sturmmöwe, konnten bleiben. „Die Möwenkolonie als Beispiel zu nehmen, ist zwar für die Möwen schön“, sagt Köpke, „aber viel mehr hätte ich mich gefreut, wenn Herr Freytag gesagt hätte, die Kolonie ist gesichert.“
Wiederholt hat der BUND kritisiert, dass das Hamburgische Naturschutzgesetz Ausnahmen für den Hafen vorsieht. Werden im Hafengebiet Gewässer verändert oder Kaianlagen gebaut, gilt das nicht als Eingriff in die Natur. Auch bei der laufenden Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes will der Senat das nicht ändern. Nach Auffassung des BUND widerspricht dies dem Bundesrecht.
Der Umweltverband stößt sich auch an der Planungspraxis im Hafen, wo Land bebaut wurde, ohne dass es dafür einen Ausgleich gab. Bisweilen konnten die Naturschützer nur einschreiten, weil sie zufällig von solchen Plänen hörten.
Der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu), Rolf Bonkwald, warnte zum Jubiläum der Vogelschutzwarte vor Rückschritten im Naturschutz. Nicht selten werde dieser zum „Sündenbock für die ausbleibende wirtschaftliche Entwicklung“ gemacht. Gernot Knödler