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Archiv-Artikel

Aus dem Mehr folgt gleich ein Weniger

BILDUNG Extrageld für Schulen an sozialen Brennpunkten: Senat zahlt, Bezirk spart

Von AKW
„Das ist das Problem der zu kurzen Decke“

INGE HIRSCHMANN, GRUNDSCHULVERBAND

Noch ist gar nicht klar, welche Schulen genau wie viel Geld bekommen sollen aus dem Sondertopf für Schulen in sozialen Brennpunkten, den der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh sich ausgedacht hat. Von mindestens 50.000 Euro jährlich ab 2014 war bislang die Rede. Details wollen Saleh und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am heutigen Mittwoch vorstellen. Doch für einige der Schulen, denen das Programm Mittel für besondere Maßnahmen und Projekte verschaffen sollte, steht bereits fest: Aus dem Mehr folgt für sie gleich ein Weniger.

In Friedrichshain-Kreuzberg nämlich hat das Jugendamt flugs Geld für das Personal der Schulstationen an vier Grundschulen gekürzt. Der Bezirk muss sparen und kann das im Jugendbereich nur bei den Maßnahmen, zu denen er nicht gesetzlich verpflichtet ist. Für die betroffenen Schulen bedeutet das: Etwa 20 Prozent der Mittel, fast 20.000 Euro, aus denen sie zwei Dreiviertelstellen für je eine ErzieherIn und eine SozialarbeiterIn in den Stationen finanzieren konnten, werden 2014 gestrichen. Es bleibt damit nur noch Geld für eine volle Stelle übrig.

Es sei denn, die Schulen finanzieren den Fehlbetrag aus dem Sondertopf Brennpunktschulen selbst weiter. Das sei als Möglichkeit im Jugendhilfeausschuss des Bezirks ganz offen so diskutiert worden, sagt ein Ausschussmitglied. In der Antwort von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) auf eine mündliche Anfrage der Linke-Bezirksverordneten Regine Sommer-Wetter liest sich das so: „Einige Schulen, die Nutznießer der Sondermittel des Senats sein werden, wollen in die Kofinanzierung der Schulstation gehen.“

Ob jedoch von Wollen die Rede sein kann, ist fraglich. Natürlich wolle er auf die zweite Kraft in der Schulstation nicht verzichten, sagt einer der betroffenen Schulleiter: „Sie leistet bei uns ganz wertvolle Arbeit.“ Schulstationen sind Anlaufstellen für SchülerInnen, die sozialpädagogische Unterstützung brauchen. Doch wenn er das Extrageld dafür einsetzen müsse, Kürzungen auszugleichen, so der Schulleiter, bliebe für den eigentlichen Zweck, auf besondere Problemlagen einzugehen, entsprechend weniger übrig.

Dabei gilt die grüne Bezirksbürgermeisterin, die auch zuständige Stadträtin für den Bereich Jugend ist, eigentlich als überzeugte Verfechterin der Sozialarbeit an Schulen, wie die Schulstationen sie leisten. Doch „unser Problem ist, dass 86 Prozent unseres Jugendamtbudgets vom Senat aus zielgebunden sind und wir zudem ein Defizit aus dem letzten Haushaltsjahr haben“, sagt Herrmann. Deshalb seien die Kürzungen unter anderem im Bereich Schulsozialarbeit „unvermeidbar. Dabei bräuchten wir eigentlich an jeder Schule eine Schulstation.“

Inge Hirschmann, Vorsitzende des Berliner Grundschulverbands und selbst Leiterin einer Kreuzberger Schule, erkennt in dem Vorgehen des Bezirksamts „das alte Problem der Decke, die eben einfach zu kurz ist“.

Noch sei das Geld für die Brennpunktschulen gar nicht da, schon wecke es Begehrlichkeiten, so Hirschmann: „Und es trifft Schulen, die Hilfe wirklich brauchen.“

Eva Kriebel, Referentin für schulbezogene Jugendhilfe und Bundeskoordinatorin für Jugendsozialarbeit im Paritätischen Verband, fürchtet, dass andere Bezirke dem Kreuzberger Beispiel folgen könnten: „Es muss darauf geachtet werden, dass Bezirksämter sich jetzt nicht zurückziehen, weil Geld vom Land kommt.“ AKW