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Archiv-Artikel

Wortkarg im Watt

HEIMATFILM Der „dokumentarische Heimatfilm“ „Über das Meer“ macht sich auf die Suche nach der „norddeutschen Seele“

Ist der von Wind, Wetter und Wellen geprägte Geselle wirklich so wortkarg und „eigen“?

VON ROBERT MATTHIES

Auf der kleinen Nordseeinsel Wangerooge findet man sie dicht zusammengedrängt, die „norddeutsche Seele“. Knapp Tausend Seelen auf acht vom Wasser umschlossenen Quadratkilometern, um genau zu sein. Ein idealer Ort, um herauszufinden, was den norddeutschen Küstenbewohner tatsächlich auszeichnet. Ist der von Wind, Wetter und Wellen geprägte Geselle wirklich so wortkarg und „eigen“, wie das Vorurteil glauben machen will?

Bernd Glawatty und Daniel Sponsel haben für ihren „dokumentarischen Heimatfilm“ „Über das Meer“ sechs Exemplare der eigentümlichen Spezies mit der Kamera begleitet und ein dichtes athmosphärisches Porträt vom Leben auf der Nordsee-Insel und ihren bisweilen skurrilen Bewohnern gezeichnet.

Dabei zeigen Glawatty und Sponsel viel Gespür für Charaktere und Situationen. Da ist die 83-jährige Waltraud, die von Ostern bis Silvester keinen Tag vergehen lässt, an dem sie nicht in die kalten Fluten taucht, um eine Runde zu schwimmen. Oder Hajo, 73 Jahre alt, der noch immer jeden Tag zum Angeln geht – auch wenn seit langem schon kaum noch ein Fisch anbeißt und er die meiste Zeit mit dem Anzünden der Zigaretten im Sturm beschäftigt ist. Hermann wiederum war einst als Kapitän auf großer Fahrt, bis die Liebe ihn an Land vertäut hat. Heute sitzt er immer noch hoch oben. Nicht mehr auf der Brücke, sondern im Büro über dem Yachthafen, von dem aus er die Hafenmeisterei leitet.

Die Sehnsucht nach dem Meer treibt auch Lars an, der in der Rettungsstation der Insel erklärt, wie alles von ihren Bedingungen abhängt: Ist man der Insel nicht nützlich, wird es schwer, hier Fuß zu fassen. Mit einem Fuß ist er deshalb schon wieder weg von der Insel: im Garten steht das seeuntüchtige Segelboot, an dessen Instandsetzung er mit seinem Freund Onno seit langem arbeitet. Daran, dass er damit mal hinausfahren kann, glaubt hier indes fast ebenso lange niemand mehr.

Am deutlichsten wird die Eigentümlichkeit der norddeutschen Seele aber vielleicht bei Friedrich-Wilhelm, dem Wattenjagdaufseher Wangerooges. Mit den Tieren in seinem kleinen Privatzoo versteht er sich hervorragend. Wenn nur der Nachbar die Natur ebenso streng schützen würde. Aber so muss eben Friedrich-Wilhelm streng sein.

■ Do, 27. 5., 20 Uhr, Lichtmess, Gaußstraße 25