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Archiv-Artikel

Auf der Sonnendiele

Wenn Bücherwürmer Spaß haben: Belle & Sebastian unterhielten nett in der nicht ganz vollen Columbiahalle

Sie waren pünktlich. Sie waren sogar so pünktlich, dass manche die bestimmt gute Vorband Gravenhurst verpasst haben. Macht nichts, hätte man meinen können, denn die achtköpfige Band aus Glasgow, die zu Heimatwetter aufspielen durfte, hat ja genug traurige Songs im Set. Die hat sie dann aber nicht gespielt.

Also „Funny Little Frog“ statt „I Fought in a War“. Internet-Enzyklopädien bezeichnen ihre Musik inzwischen ja sogar schon als „Twee-Pop“ – also so in Richtung putzig, niedlich. Über die Ursache der Stimmungsverschiebung bei Belle & Sebastian lässt sich indes nur spekulieren. Ist Stuart Murdoch – im hautengen weißen Hemd, sehr 70er – in einen Glückstopf gefallen? Liegt es daran, dass Trauer-Chanteuse Isobel Campbell die Band vor vier Jahren verlassen hat, um eine Art Indie-Astrud Gilberto zu werden? Was Belle & Sebastian an diesem Sonntagabend geboten haben, war jedenfalls die gepflegte Unterhaltung im Großbandformat mit gekonnten Ausflügen in die Happy-Go-Lucky-Musik – so wie man es von ihren letzten beiden Alben gewohnt ist. Berieselung auf hohem Niveau mit schüchternen Disco-Einlagen, bei denen der zu Scherzen aufgelegte Murdoch einmal die Hüften und einmal eine Seemannsmütze schwang. Wenn Bücherwürmer Spaß haben.

Für die erhabenen Momente sorgte ausgerechnet Gitarrist und Zweitsänger Stevie Jackson – der Mann, dessen Songs auf Platte immer ein wenig wie Quotenliedchen wirken, damit Belle & Sebastian nicht komplett zu einer Murdoch-Solo-Angelegenheit geraten. Aber seltsamerweise bestach dann „Jonathan David“ als fetzige Eifersuchtsnummer, und die Ballade „Seymour Stein“ vom Durchbruchstonträger „The Boy With The Arab Strap“ bot den großen hehren Moment des Konzerts. Als würden Ringo-Starr-Songs von Buddy Holly vorgetragen.

Dem Publikum war alles recht. Gekommen waren sie eh, um sich für eine Weile in der Musik aufgehoben zu fühlen und sich ansonsten frei unterhalten zu können. Belle & Sebastian 2006: Musik für Pärchen mit Gesprächsbedarf. Musik für die postmoderne Familie. Geboten von den netten Leuten aus der Uni nebenan. Mit Streichern, Keyboards, Akustikgitarre, beizeiten einer schönen Trompete und, nebenbei bemerkt, einem auffallend stumpfen Schlagzeug. Songs fürs Kofferradio. Zum In-der-Wohnung-Tanzen. Wenn die Sonne auf die Dielen scheint.

rené hamann