: Über den Gleisen
Hauptbahnhof? Bahnhof Zoo? Alles Quatsch: Am Freitag geht der neue Bahnhof Südring ans Netz
Ein gewiss flüchtiger Eindruck am Bahnhof Zoo, den Berlins Westen immer für einen Hauptbahnhof hielt – aber ab Freitag nur noch das sein soll, was er immer war: ein Eisenbahnhaltepunkt metropolenperipher Art. Halten werden dort, sobald der Hauptbahnhof Lehrter Bahnhof am nördlichen Rand des Regierungsviertels von Bahn-Chef Mehdorn und Kanzlerin Merkel eröffnet sein wird, nur noch regional vertaktete Züge. Das eigentliche Ereignis wird freilich die Inbetriebnahme eines anderen Bahnhofs sein, der im neuen Fahrplan bereits als Berlin-Südring ausgewiesen ist, aber identisch ist mit der S-Bahn-Station Papestraße.
Dort ist innerhalb von vier Jahren ein luftig-gläserner Komplex auf zwei Ebenen entstanden – die Schnittstelle zwischen Berliner Ringlokalverkehr und der Fahrt gen Leipzig, München oder Dresden (gen Süden) oder Hamburg und Rostock (gen Norden). Selbst Menschen, die der Architektursprache nicht mächtig sind, werden ausrufen: Super, krass, geil! Man kommt aus dem furzigsten Kiez der eigenen Stadt, rumpelt eben noch über die S-Bahn-Gleise – und entschwindet per Rolltreppe eine Etage tiefer, wo es in die weite Welt geht. Die Bahnsteige ein breiter Kordon an Flaniermöglichkeiten, die Materialien sauber und definitiv ohne Frontstadtflair. Unten an den Decken elektrische Strippen, Energiezufuhr für die wunderbaren ICEs. Von Neukölln nach Hamburg dauert es dann nur noch knapp zwei Stunden, nach Leipzig lediglich anderthalb.
Ein Segen dieser Bau außerdem deshalb, weil um ihn herum eine neue Urbanität wächst. Der Kit-Kat-Club, Memorabilium der Neunzigerjahre, in größter Nähe, aber auch das Einrichtungshaus der Stadt, Ikea, in drei Spazierminuten zu erreichen. Ein Bahnhof, der dezentralisiert, aber seine periphere Demut im Volumen preisgibt: Der Lehrter Bahnhof wird größer als der Bahnhof Zoo je sein konnte – aber der Südring wird ein neues Quartier begründen. JAF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen