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Archiv-Artikel

„Times“: Berlin hat Lösegeld gezahlt

Nach einem Bericht der britischen Tageszeitung hat die Bundesregierung acht Millionen Dollar für die Freilassung von drei Geiseln im Irak gezahlt. Auch Frankreich und Italien sollen ihre verschleppten Bürger für hohe Beträge freigekauft haben

US-Firmen verbuchen Lösegeld für Mitarbeiter als Sonderauslagen

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Deutschland, Frankreich und Italien halten bei Lösegeldzahlungen im Irak den Rekord. Laut der britischen Tageszeitung Times, der entsprechende Dokumente vorliegen, sollen diese drei Staaten in den letzten 21 Monaten 45 Millionen Dollar aufgebracht haben, um ihre im Irak verschleppten Bürger freizukaufen. Zwischen 2,5 und zehn Millionen Dollar war den Regierungen das Leben einer Geisel wert. Alle drei streiten die Lösegeldzahlungen ab oder wollen sich dazu nicht äußern. So wies die französische Regierung gestern den Bericht der Times nachdrücklich zurück.

Westliche Diplomaten, denen die Liste der Zahlungen vorgelegt wurde, äußerten sich verärgert über das Verhalten der drei Regierungen, da organisierte Banden im Irak dadurch ermuntert würden, mit ihrer Praxis der Entführungen fortzufahren. „Theoretisch unterstützen wir gemeinsam die Politik, Entführer nicht zu belohnen. Aber in der Praxis sind diese drei Regierungen davon abgewichen und haben dadurch andere Ausländer im Irak in Gefahr gebracht, von den Banden entführt zu werden, im Vertrauen darauf, dass bezahlt wird“, zitiert die Times einen hochrangigen Gesandten in Bagdad.

Die Lösegeldzahlungen für die Freilassung der beiden Deutschen René Bräunlich und Thomas Nitzschke diesen Monat hätten Vertreter der irakischen Sicherheitskräfte schließlich veranlasst, mit den Diplomaten der führenden westlichen Länder ein Gespräch zu suchen, wie Entführungen in Zukunft zu handhaben seien, berichtet die Zeitung. In der Times wird die Summe von fünf Millionen Dollar für die Freilassung der beiden deutschen Ingenieure genannt. Die Entführer sollen das Doppelte verlangt haben. Für die im November 2005 verschleppte deutsche Archäologin Susanne Osthoff sollen drei Millionen bezahlt worden sein.

Frankreich soll insgesamt sogar 25 Millionen gezahlt haben. Für die Journalistin Florence Aubenas, die nach 157 Tagen im Juni 2005 freikam, sollen 10 Millionen, für ihre beiden französischen Kollegen Christian Chesnot und Georges Malbrunot 15 Millionen Dollar aufgewendet worden sein. Rom löste demnach die drei Italienerinnen Giuliana Segrena, Simona Pari und Simona Toretta für 11 Millionen aus. Auch die Türkei, Rumänien, Schweden und Jordanien sollen gezahlt haben, ebenso wie am Wiederaufbau beteiligte US-Firmen, die ihre verschleppten Mitarbeiter ausgelöst hätten. Ausgaben, die dort übrigens meist unter dem Posten „Sonderauslagen“ verbucht werden.

Oft würden die westlichen Regierungen und ihre Militärs keine Informationen austauschen. Vor allem gegenüber den irakischen Behörden würden die Verhandlungen um die Freilassung der Geiseln als Verschlusssache behandelt, kritisiert ein irakischer Antiterrorspezialist. „Sie machen, was sie wollen, und zahlen Millionen, egal, was sie offiziell über das Nichtzahlen von Lösegeld behaupten“, erklärt er.

Auf öffentliche Erklärungen, dass man mit Terroristen nicht verhandeln werde und kein Lösegeld zahle, darf wenig gegeben werden. Wenn eine Regierung die Möglichkeit sieht, ein Entführungsopfer für einen tolerierbaren Preis auszulösen, wird sie das in der Regel tun, ohne es aber jemals öffentlich zuzugeben, erklärt ein im Irak arbeitender privater Sicherheitsexperte, der nicht namentlich genannt werden möchte. Westliche Diplomaten argumentieren, dass sie dem irakischen Sicherheitsapparat misstrauen, da er eng mit den lokalen Milizen und manchmal sogar mit kriminellen Banden in Verbindung stehe.

Der Fall Margret Hassans, der britischen Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation, zeigt aber auch, was passieren kann, wenn nicht bezahlt wird. Die entführte Hassan, die mit einem Iraker verheiratet und zum Islam konvertiert war, wurde am 19. Oktober 2004 ermordet, kurz nachdem der britische Premier Tony Blair in einer auch von arabischen Fernsehsendern ausgestrahlten Erklärung verkündet hatte, dass auf keinen Fall Lösegeld für Hassan bezahlt werde.