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Archiv-Artikel

ElbphilharmonieHamburg von oben

Heute ist Richtfest bei Hamburgs Prestige-Projekt, morgen darf das Volk kommen. Ein Glossar – und eine BaustellenbegehungBEGEHUNG Vor dem Richtfest führten die Architekten über Hamburgs teuerste Baustelle – und verteidigten ihre Visionen

VON PETRA SCHELLEN

Eigentlich hätte alles sehr schön werden können: Die Sonne schien, eine frische Brise wehte, alle waren dem Anlass gemäß gekleidet und gelaunt, die Architekten anwesend: Optimale Bedingungen für die Begehung einer Baustelle, die so weltbewegend ist, wie die der Elbphilharmonie, die heute Richtfest und morgen – für’s Volk sozusagen – „Tag der Plaza“ feiert. Gestern durfte da schon mal die Journaille drauf, von den Architekten Jacques Herzog, Ascan Mergenthaler und Pierre de Meuron höchstpersönlich angeleitet.

Nun haben Baustellen es aber in sich. Da herrscht zum Beispiel eine rege Lärmentwicklung: Man sägt, hämmert und bohrt, dass es eine Freude ist; angenehm zu sehen, nach all dem Streit um Kosten und Baumängel. Trotzdem ist es nur mäßig sinnvoll, große Teile der Führung in unmittelbarer Nähe eines Schweißtischs zu absolvieren, wie es Herzog und Mergenthaler taten. Genau hier – auf der Bühne des künftigen Konzertsaals – musste Jacques Herzog auf das Ausführlichste die Vision des „Weinberg“-Saals erklären, der eigentlich nur deshalb so steil ist, weil der Unterbau der Elbphilharmonie – ein Backsteinspeicher von 1962 – ein Trapez ist und sich an dieser Stelle verjüngt. „Eine Herausforderung“, murmelte Herzog in den Schweißerlärm hinein und drehte sich versonnen vom Publikum weg, hin zum Schweißer.

Der hörte nichts, und das Publikum auch nicht – aber vielleicht hatte man da irgendwas falsch verstanden: Womöglich war diese Führung, die selten einmal Zimmerlautstärke erreichte, als Selbstgespräch – als Selbstvergewisserung? – gedacht. Andererseits verpasste man nicht sehr viel: „Von hier kann man Hamburg sehen, wie man es noch nie sah“, beteuerte Mergenthaler etwa auf der 50 Meter hohen offenen Plaza. Da man hier Hafen und Stadt gleichzeitig sehen könne, lerne man „Hamburg erstmals wirklich verstehen“.

Vielleicht, dachte man da, hat er Hamburgs höhere Gebäude einfach noch nicht gefunden. Das andererseits ist unwahrscheinlich: Einige von ihnen sind selbst von der Elbphilharmonie-Plaza aus zu sehen.

Die Vision

Die architektonische und die soziale Vision der Elbphilharmonie driften stark auseinander.

Als „Haus für alle“ propagieren Hamburgs Politiker das Konzerthaus. Als Beleg werden die geplante moderate Preisgestaltung sowie die dereinst von allen kostenlos begehbare Plaza herangezogen.

Als elitären, hoch über Hamburg thronenden Glaskoloss, der wahlweise an ein Schiff oder eine Kathedrale erinnert, haben die Architekten das Haus konzipiert, das „weltweit einzigartig“ sein soll. Sein 2.150 Plätze fassender Konzertsaal wird von einer „weißen Haut“ umhüllt, die Stück für Stück individuell zu fertigen ist.

Die Verantwortlichen

Bauherrin ist die Stadt Hamburg, vertreten durch die städtische Realisierungsgesellschaft (Rege). Sie hat Verträge geschlossen mit dem Bauunternehmen Hochtief als Generalunternehmer, mit dem Architekturbüro Herzog & de Meuron sowie mit Höhler + Partner als Generalplaner.

Keine Vertragsbeziehung besteht zwischen den Architekten, die die Pläne liefern, und dem ausführenden Bauunternehmen Hochtief.

Politisch verantwortlich für die Baustelle ist seit dem 10. 6. 2008 nicht mehr, wie anfangs, die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, sondern die Kulturbehörde unter Senatorin Karin von Welck (parteilos).

Der Zeitplan

Der Grundstein der Elbphilharmonie wird im April 2007 gelegt. Eröffnung soll im Herbst 2010 sein.

Im Juni 2008 teilt die Kulturbehörde mit, dass sich die Eröffnung um ein Jahr verschiebt: auf Ende 2011.

Im November 2008 wird bekannt, dass sich die Eröffnung auf Anfang 2012 verzögert.

Im Januar 2010 deutet Hochtief an, dass sich die Fertigstellung des großen Konzertsaals und damit des gesamten Baus auf 2013 verzögern könnte.

Die Kosten

Eine erste Machbarkeitsstudie vom Juli 2005 beziffert die Gesamtkosten der Elbphilharmonie auf 186 Millionen Euro. Laut Senat soll die öffentliche Hand davon maximal 77 Millionen zahlen.

Ende 2006 steigen die Gesamtkosten auf 241 Millionen Euro, wovon die Stadt 114, 3 tragen soll.

Ende 2008 bestätigt der Senat, dass der öffentliche Kostenanteil auf 323 Millionen Euro steigt.

Ende 2009 zahlt die Stadt 137 weitere Millionen Euro an Hochtief.

Im Januar 2010 werden weitere Nachforderungen von Hochtief und Architekten von insgesamt 35 Millionen Euro bekannt.

Der Rechtsstreit

Über den Kosten- und Zeitplan streiten seit Monaten die Stadt Hamburg und der Baukonzern Hochtief.

Hochtief beschuldigt die Architekten der verspäteten Planlieferung, was diese von sich weisen. Hochtief selbst hat bislang allerdings keinen verbindlichen Zeitplan vorgelegt. Die Stadt hat den Konzern deshalb auf Herausgabe eines solchen Plans verklagt.

An die Stadt Hamburg stellt Hochtief finanzielle Nachforderungen. Der von der oppositionellen SPD beauftragte Baugutachter Franz-Josef Schlapka hat Anfang 2010 bestritten, dass sie in dieser Höhe gerechtfertigt seien. Hochtief hat Schlapka auf Unterlassung dieser Behauptungen verklagt.

Die Baumängel

In einem Gutachten haben die Architekten jüngst zahlreiche Baumängel zusammengetragen, die Hochtief verursacht habe. So sei die zu bewahrende historische Klinkerfassade durch Zementschlamm verschmutzt, aber nicht wieder gereinigt worden. Einige der Betonrippen für den großen Konzertsaal lägen zu tief, und die Federpakete, auf denen der Saal ruht, seien teils schief eingebaut worden.

Hochtief sagt, die Mängel seien weder sicherheits- noch terminrelevant und weitgehend behoben. Der Forderung der Kultursenatorin nach besserem Qualitätsmanagement kam Hochtief aber auch nach einem Krisengespräch in der vorigen Woche nicht nach.