: „Wir brauchen eine neue Politik“
Mit wem wollen die Bremer Grünen im Mai 2007 die große Koalition ablösen? Ein Interview mit der Landesvorsitzenden Susan Mittrenga und Robert Bücking, Viertel-Bürgermeister und Neu-Grüner
War der Zukunfts-Kongress am Wochenende ein Erfolg?
Susan Mittrenga: Ja. Wir wollten in die Partei hinein signalisieren: Wir machen uns auf den Weg, Ihr seid alle herzlich eingeladen mit Eurer Kompetenz. Die Grünen dürfen nicht zu einer Honoratioren- oder Fraktions-Partei werden. Der Landesvorstand betrachtet es als seine Aufgabe, die Mitglieder zu motivieren, sich einzumischen.
Was heißt das für die programmatische Positionierung?
In den Workshops haben wir uns vor allem mit dem Thema Stadtgesellschaft befasst, haben über die Folgen des demografischen Wandels für die Stadtentwicklung gesprochen. Ein weiterer Schwerpunkt war der Themenbereich Bildung und soziale Segregation und die Integrationsfähigkeit einer Stadtgesellschaft. Bremen steht in starker Konkurrenz mit anderen Metropolen, wir wollen eine Idee für ein Image entwickeln, das der Stadt Sogkraft verleihen kann. Den gesamten Bereich Finanzen, Haushalt und Wirtschaft müssen wir noch genauer unter die Lupe nehmen.
Wenn das Image einer Stadt gut ist, tröstet das vielleicht ja auch über die eine oder andere Kürzung hinweg.
Es gibt ja durchaus Zufriedenheit unabhängig von finanziellen Zuweisungen. Das sinnstiftende Leben hat nicht immer nur mit Geld und mit materiellen Dingen zu tun.
Bernd Neumann, der CDU-Vorsitzende, hat gesagt: Wer jetzt in Bremen eine andere Koalition will als in Berlin regiert, der schadet dem Land. Was halten die Grünen dem entgegen?
In den Jahren der rot-grünen Koalition in Berlin hat Neumann das nicht so gesehen. Stadtstaaten wurden oft ganz gegen den Trend regiert, man muss ja nur Berlin oder Hamburg angucken.
Was wollen die Grünen mit der SPD im Senat besser machen als SPD und CDU?
Die konnten viel Geld ausgeben und haben sich nach dem Proporz „kriege ich eines, kriegst du eines“ verständigt, eine komfortable Lage. Aber das Geld ist weg. Die Stadt braucht jetzt eine Zukunftsvision: Wie integrieren wir die Menschen mit Migrationshintergrund? Wie die Menschen, die im Arbeitsprozess nicht mehr gebraucht werden? Die Zahl der Single-Haushalte nimmt dramatisch zu, was machen wir gegen die Vereinsamung? Wie mobilisieren wir die Potenziale, die darin stecken? Das sind Themen, die uns bewegen. Das ist unser „Kapital“.
Wollen Sie ab 2007 als Abgeordnete diese Politik vertreten?
Nein. Das glaubt mir keiner, aber ich sehe meinen Arbeitsschwerpunkt darin, für die Diskursfähigkeit der Partei zu arbeiten. Daran hängt mein Herz. Ich werde nicht kandidieren.
taz: Ist bei dem Zukunftskongress etwas herausgekommen, das einen Fingerzeig geben könnte auf die Weichenstellungen des Jahres 2007?
Robert Bücking: Der Kongress hatte eher den Charakter eines Auftaktes. Der Hintergrund für die Operation ist ausgeleuchtet worden, die Operation selbst ist noch nicht dargestellt worden.
Was würde ein Senat mit grüner Beteiligung anders machen?
Zuallererst sich Respekt verschaffen nach außen und nach innen, indem man mit der Lügerei und dem Verschleiern aufhört. Dazu wird das Bundesverfassungsgericht vermutlich beitragen. Und wir müssen mit der ganzen Stadt darüber nachdenken, wie es weitergehen kann.
Die CDU verbreitet Selbstbewusstsein mit Hinweis auf die Wirtschaftszahlen. Es boomt.
Alles, was gut läuft, muss man unbedingt loben. Aber die CDU will sich mit Freudenfeuern über die Herausforderungen hinweg mogeln. Die glauben, sie könnten das Bundesverfassungsgericht damit beeindrucken. Das ist doch dummes Zeug. Die Stadt hat nach wie vor eine unerträglich hohe Zahl von Sozialhilfe-Empfängern und Arbeitslosen, der Strukturwandel ist nicht abgeschlossen. Wo wir erfolgreich sind, geben wir viel Steuergeld aus. Klar, der Hafen boomt. Aber Bremerhaven verhungert. Was sind das für Erfolge?
Kein Boom bei den Steuer-Einnahmen und den Arbeitsplätzen?
Die Investitionen haben die Wirkung nicht, die wir brauchen. Dass der Hafen die ganze Stadt ernähren kann, scheint ja nicht mehr der Fall zu sein. Und wenn die Universität Erfolge hat, Stichwort Exzellenz-Initiative, dann freuen wir uns alle. Aber die nächste Frage ist doch: Wo verbindet sich das mit der Bremer Ökonomie?
Der Kongress der Grünen war auch eine Gelegenheit für Leute wie Sie, die diese Politik machen wollen, sich zu zeigen. Warum sind Sie so spät bei den Grünen eingetreten?
Ich bin eigentlich immer mitgezählt worden, am Rande. Hin und wieder habe ich das dementiert und gesagt: Ich bin Ortsamtsleiter für alle, ich will mich nicht parteimäßig so festlegen. Nun finde ich aber, dass die Situation sich verändert hat. Auf die Grünen kommt eine große Verantwortung zu. Da sollten sich auch andere überlegen, ob sie nicht dazu beitragen können, die Grünen stark zu machen. Das muss einfach sein.
Geht das bis hin zu der Bürgerschafts-Liste?
Im Moment sind wir dabei, uns kennen zu lernen. Mal sehen. Ich bin bei den Grünen eingetreten, weil ich es für sehr wichtig halte, dass die Grünen in Zukunft Macht haben, damit sie gestalten können. Fragen: K. Wolschner