„Es war absehbar“

ASYL Georg Classen vom Flüchtlingsrat kritisiert die drohende Räumung des Flüchtlingscamps

■ ist Sprecher des Berliner Flüchtlingsrats. Er ist außerdem Experte für Flüchtlingssozialrecht.

taz: Herr Classen, wie beurteilen Sie die Situation am Oranienplatz?

Georg Classen: Es war absehbar, dass die Gruppe dort heterogen zusammengesetzt und deutlich größer als 80 Personen ist und dass die vom Bezirk angebotenen Unterkünfte nicht reichen. Als ich von dem Ersatzangebot hörte, dachte ich: Wird das jetzt der Vorwand für den Versuch einer polizeilichen Räumung? Und genauso scheint es jetzt zu kommen. Obdachlosigkeit kann man aber nicht mit Polizeieinsätzen beseitigen.

Wie sollte es weitergehen mit den Menschen, die jetzt weiter in den Zelten leben?

Sie müssen akzeptable Unterkünfte angeboten bekommen. Ein Zeltlager ist nicht geeignet, um dort im Winter zu wohnen. Aber die, die weiter dort demonstrieren wollen, müssen das auch dürfen. Es gibt ein Recht, seine Meinung zu äußern, und zwar nicht nur tagsüber. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und der Berliner Senat müssen das respektieren.

Wie ist eigentlich die langfristige Perspektive?

Die Lampedusa-Flüchtlinge sollten ein Bleiberecht in Deutschland bekommen. Das geht nach dem Ausländerrecht aus humanitären Gründen für eine ganze Gruppe, dafür wäre der Innensenator zuständig und der Bundesinnenminister müsste zustimmen. Oder man macht es als Einzelfalllösung etwa über die Berliner Härtefallkommission.INTERVIEW: SEBASTIAN HEISER