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Archiv-Artikel

Herumknabbern an den Erwerbslosen

Kürzungen der Zuschläge zum Arbeitslosengeld II in der Diskussion. Arbeitgeberlobby spricht von „Anreizfallen“

BERLIN taz ■ Harald Thomé ist ein alter Kämpfer gegen das Unsoziale. Der Berater beim Selbsthilfeverein „Tacheles“ in Wuppertal hat schon viele Sozialkürzungen bei seiner Klientel miterlebt. Demnächst könnte sich eine neue Front eröffnen: „Eine Kürzung der Zuschläge zum Arbeitslosengeld II könnte der erste Schritt sein zu weiteren Einschnitten“, sagt Thomé. In der Debatte um die Kosten von Hartz IV spielen diese Zuschläge eine wichtige Rolle.

Politiker der Union wie der CSU-Arbeitsmarktpolitiker Max Straubinger haben bereits gefordert, die Zuschläge abzuschaffen. Auch der schleswig-holsteinische SPD-Arbeitsminister Uwe Döring erklärte, man müsse über die Zuschläge „nachdenken“. Am Sonntag beschäftigt sich der Koalitionsausschuss aus Union und SPD mit den gestiegenen Kosten für Hartz IV.

Die Zuschläge bekommt, wer nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I immer noch keinen Job findet und dann ins niedrigere Arbeitslosengeld II absackt. Die Zuschläge betragen im ersten Jahr zwei Drittel des Unterschiedes zwischen dem Arbeitslosengeld I und dem Arbeitslosengeld II. Im zweiten Jahr gibt es nur noch die Hälfte der Zuschläge, dann fallen sie ganz weg.

Laut Bundesagentur für Arbeit erhielten im April diesen Jahres 442.000 Langzeitarbeitslose diese Leistung, das ist fast jeder zehnte Empfänger von Arbeitslosengeld II. Im Schnitt bekamen diese Bezieher monatlich 104 Euro. Hochgerechnet auf ein Jahr bedeutete dies ein Einsparpotenzial von 550 Millionen Euro im Jahr an den Kosten für Hartz IV – und dies, ohne dass man die Regelsätze des ALG II angreifen müsste. Gegen Kürzungen bei den Regelsätzen hat sich insbesondere die SPD immer wieder ausgesprochen.

Für das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln sind die Zuschläge sogar „Anreizfallen“, die einer Aufnahme von Arbeit entgegenstünden. Beziehen nämlich Niedrigverdiener ein Einkommen, das gerade mal so hoch ist, dass der Anspruch auf aufstockendes Arbeitslosengeld II erlischt, dann fallen auch die Zuschläge weg. Deswegen verharrten manche Beschäftigten in niedrig entlohnten Teilzeitstellen, behaupten die IW-Forscher.

Thomé argumentiert anders: „Die Zuschläge erlauben, noch ein bisschen was vom früheren Lebensstandard in das Arbeitslosengeld II hinüberzuretten. Das können die Beiträge zum Sportverein sein, ein Schwimmbadbesuch. Bei einer Kürzung fiele das dann einfach weg.“

BARBARA DRIBBUSCH