: Der swb droht Prozesslawine
Nach der durch das Landgerichtsurteil entstandenen Rechtslage nützen die Widersprüche gegen die Gaspreiserhöhungen nichts – wer seine Ansprüche sichern will, muss jetzt klagen
von Klaus Wolschner
Nach dem bundesweit beachteten Gasurteil des Bremer Landgerichts ist eigentlich alles klar: Für die Preiserhöhungen der Bremer Energieversorgerin swb gibt es keine Rechtsgrundlage, da die Preisanpassungsklausel in den Verträgen mit Bremer Gaskunden aufgrund mangelnder Präzision „nichtig“ ist. Da die Verjährungsfrist drei Jahre beträgt, können Verbraucher jetzt die Preisdifferenz rückwirkend bis zum 1. 1. 2003 zurückfordern. Das ist viel mehr als die 58 Kläger und die rund 16.000 Bremer, die Widerspruch eingelegt haben, gehofft hatten: Sie wollten prüfen lassen, ob die Preiserhöhungen ab dem 1. 10. 2004 überzogen waren. Rückforderungen hätten sich danach nur auf einen Bruchteil dessen bezogen, was jetzt im Raum steht.
Offiziell ist für die swb die Welt in Ordnung. „Wir halten die Preiserhöhungen auch nach Rücksprache mit unseren Anwälten nach dem Urteil für angemessen“, sagt die swb-Sprecherin Marlene Odenbach. Das Unternehmen ficht den Richterspruch an und setzt darauf, den Prozess zur Not vor dem Bundesgerichtshof doch noch zu gewinnen. Widersprüche oder Klagen seien daher „nicht geboten“, wer anderer Meinung sei, müsse sich selbst juristischen Rat holen, so Odenbach.
Was also tun? Guter Rat ist kompliziert und teuer. Lovis Wambach, Anwalt der Kläger, vertritt bisher nur swb-Kunden mit Rechtsschutzversicherung, denn das Risiko eines sich Jahre hin ziehenden Prozesses ist schwer abschätzbar. Klar ist aber, sagt Anwalt Wambach, dass die 16.000, die Widerspruch eingelegt haben, nach der derzeitigen Rechtslage keinerlei Vorteil daraus haben. Denn der Widerspruch bezog sich auf Paragraf 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches, nach dem ein Monopol, das die Preise einseitig erhöhen kann, den Nachweis der „Billigkeit“ seiner Preise antreten muss. Das bedeutet konkret: Die swb müsste bei Preiserhöhungen ihre Kalkulationsgrundlagen offen legen. Was sie verweigerte mit dem Argument, sie müsste die „Billigkeit“ nicht nachweisen, weil sie ja eine allgemeine Preisanpassungsklausel in ihren Gasverträgen hätte. Genau diese wurde jetzt allerdings vom Gericht für nichtig erklärt. Das bedeutet: Selbst wenn die swb jetzt doch noch nachweisen würde, dass sie lediglich die Preissteigerung der Gaslieferanten an den Endverbraucher weiter gegeben hat, wären Preiserhöhungen dennoch unberechtigt, weil es dafür keine Vertragsgrundlage gibt. „Widerspruch einzulegen ist dennoch immer richtig“, sagt Anwalt Wambach. Der Grund: Sollte ein höheres Gericht die Rechtslage anders beurteilen, geht es wieder darum, ob die swb die Preise zu stark erhöht hat.
Wenn die juristische Position des Bremer Landgerichtes Bestand hat, helfen die Widersprüche nichts. Drei Jahre rückwirkend kann ein Gaskunde Geld zurückfordern, danach gilt die Sache als verjährt. Bis zur endgültigen Klärung des Rechtsstreits werden aber noch Jahre ins Land gehen. Wer die Verjährung unterbrechen will, muss deshalb jetzt handeln. Ein formloses Schreiben reiche nicht, sagt Anwalt Wambach, rechtlich relevant sei nur eine förmliche Klage auf Rückzahlung.
Schuld an der zu erwartenden Prozess-Lawine, sagt Anwalt Wambach, ist die swb. Wenn die erklären würde, dass sie die Rechtslage auf alle Kunden anwenden wird, würden Musterverfahren reichen. Aber für die swb geht es jetzt um zweistellige Millionenbeträge – da kann sie nichts rechtsverbindlich versprechen.
„Unter Vorbehalt“ zu zahlen bringt übrigens bei der derzeitigen Rechtslage nichts. Wer sich die Mühe einer Klage nicht machen will, könnte ab sofort die Erhöhungsbeträge von seiner Gasrechnung abziehen unter Hinweis auf das Urteil. Dann tickt die Verjährungsfrist zu Lasten der swb. Das Gas abstellen darf das Unternehmen nicht.
Mehr Informationen: Freitag, 2. Juni, 16 Uhr, Kanzlei Wambach & Partner, Außer der Schleifmühle 54.Dienstag, 30. Mai: Bürgersprechstunde der Bürgerinitiative Gaspreis, 16 Uhr, „Sportklause“ Hamburger-Str. 32.