: Leserinnenvorwurf
Eine ganze Spalte Vermutungen
„Kidnapping linker Sekte?“ lautet der Titel vom 28. November über die drei Frauen in Großbritannien. Eine ganze Spalte begonnen mit Fragezeichen und Vermutungen, mit Klarnamen und Altersangabe. Warum druckt „meine“ taz Artikel voller „angeblich“, „obwohl nicht offiziell bestätigt“, „wahrscheinlich“, „möglicherweise“, „soll sein“, „wurde in den Medien genannt“? Und warum schützt die taz nicht die drei namentlich benannten Personen, bis etwas bewiesen ist? Bitte gebt Daniel Zylbersztajn „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von Heinrich Böll zu lesen. Wenn mir was aus dem Deutschunterricht geblieben ist, dann die Erkenntnis, was Presse anrichten kann. KERSTIN MANGELS, Wiesloch
Die taz antwortet
Wir sind um vorsichtige Wortwahl bemüht
Liebe Kerstin Mangels,
danke für Ihren Brief, der in London angekommen ist. Ich teile durchaus ihre Sorgen. Als ich am 23. November nach Lambeth fuhr, war die Sensationspresse schon da. Am nächsten Tag kursierten die Namen bereits in den britischen Medien, in der taz vom 25. November absichtlich noch nicht. Ab dem 26. November wurden die Details über die vermuteten Personen und die politische Randgruppe in der gesamten UK-Presse breitgetreten. Nachrichtenarchive lieferten weitere Daten. Auch Fotos tauchten auf. Die privat an einen Nachbarn gegebenen wollten wir auf keinen Fall veröffentlichen. Aber die neuen Informationen veränderten den vorherigen Sachverhalt und machten ein Update notwendig. Wir können nicht ignorieren, was in Großbritannien bereits durch alle Medien lief, trotz klarer Unterschiede in den nationalen Medienkulturen. Durch vorsichtige Wortwahl habe ich versucht, dem gerecht zu werden, aber die Schmerzgrenze lässt sich nicht immer und für alle wahren. Dann ist es gut, wenn Leserinnen wie Sie wenigstens darauf hinweisen.
Daniel Zylbersztajn, London