Mongolische Moderne

ULAANBAATAR Weniger naiv: Davaas dritter Film

Zuerst das Kamel, dann der Hund, jetzt die Pferde. Man weiß also, was man zu erwarten hat vom neuen Film der in Deutschland lebenden mongolischen Filmemacherin Byambasuren Davaa. „Das Lied von den zwei Pferden“ heißt er, anknüpfend an ihre ersten beiden, überaus erfolgreichen Dokumentarfilme „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ (nominiert für den Oscar) und „Die Höhle des gelben Hundes“. Das heißt vor allem: Wieder geht es um die Mongolei, um uralte Geschichten und Traditionen rund ums Nomadenleben, die Kamera verweilt in aller Ruhe auf viel weiter Natur und noch mehr Himmel, wieder bleibt Davaa ihrer etablierten Filmsprache treu, arbeitet sie halb fiktional, halb dokumentarisch, mischt Erfundenes mit Gefundenem und hat dabei vor allem eins im Sinn: die Suche nach den Wurzeln.

Diesmal begleitet die Regisseurin eine Figur auf der Reise in ihre Vergangenheit. Die Sängerin Urna ist in der „Inneren Mongolei“ aufgewachsen, der chinesischen Mongolei, und sie fährt in die „Äußere Mongolei“, nach Ulaanbaatar. Dort möchte Urna das Versprechen einlösen, das sie ihrer verstorbenen Großmutter gegeben hat. Sie will die Pferdekopfgeige reparieren lassen, die im Chaos der Kulturrevolution zerstört wurde. Und sie will das Lied wiederfinden, dessen erste Strophe auf dem alten Hals der Geige eingeschnitzt ist. Urma ist eine wunderschöne Frau, man kriegt gar nicht genug von ihren Liedern, und die vielen galoppierenden Pferde sind herrlich anzusehen.

In Davaas ersten Filmen waren die Geschichten kugelrund und grenzten an edlen Ethnokitsch, die Kamera wusste immer schon vorher, was erzählt werden soll, und die Moderne hielt höchstens in Form eines Farbfernsehers oder eines pinkfarbenen Plüschtieres Einzug – in „Das Lied von den zwei Pferden“ sind Erzählung wie Erzählweise gebrochener. Und das ist wunderbar so. Durch die Augen der Sängerin sieht auch der Zuschauer die Mongolei mit mehr Befremden, man bekommt Eindrücke von der Großstadt, die nicht gerade als pittoresk zu bezeichnen ist, die haarsträubende Umweltzerstörung ist Thema, auch die Entfremdung zwischen den mongolischen Völkern diesseits und jenseits der chinesischen Grenze. Man erfährt, dass in China alle Mongolen sesshaft werden mussten, dass die Mongolen in der Mongolei von den Russen zur kyrillischen Schrift gezwungen wurden. Durch den nonchalanten Witz der Dialoge fühlt man sich dabei nie belehrt.

Das alte Problem der Dokufiktionen Davaas, der naive Blick auf das vermeintlich authentische Leben, das von der Kamera kaum Notiz nimmt, scheint mindestens in Angriff genommen. „Das Lied von den zwei Pferden“ ist der perfekte Film für den gepflegten Kulturabend Fernwehgeplagter. Nur manchmal, da wünscht man sich trotzdem noch, dass es einfach mal nicht gut ausgehen würde oder dass irgendetwas ungereimt bliebe.

SUSANNE MESSMER

■ „Das Lied von den zwei Pferden“. Regie: Byambasuren Davaa. Mit Urna Chahar-Tugchi, Chimed Dolgor, Hicheengui Sambuu u. a. Deutschland 2009, 91 Minuten