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Archiv-Artikel

„Keine Vorzeige-Flüchtlinge“

LESUNG Drei iranisch-deutsche Brüder erzählen vom jahrelangen Kampf um den Aufenthaltsstatus

Von EIB
Mojtaba Sadinam

■ 29, geboren in Teheran, seit 1984 in Deutschland, studiert Philosophie und Geschichte in Frankfurt am Main.

taz: Herr Sadinam, Sie haben mit Stipendien in Deutschland studiert und geschrieben, wie deutsche Behörden Ihr Leben erschwert haben. Wird Ihnen Undankbarkeit vorgeworfen?

Mojtaba Sadinam: Ja. „Warum seid ihr nicht woanders hingegangen, wenn es euch hier nicht gefallen hat“. Solche Kommentare kommen oft in Internet-Foren. Ganz selten auch auf Lesungen.

Aber es wäre ja verständlich gewesen, wenn Sie drei gesagt hätten, „es reicht, wir gehen in die USA“. Stattdessen sind Sie seit 2012 deutsche Staatsbürger.

Als Impuls war das mal da. Aber zu dem Zeitpunkt, als die Abschiebung drohte, waren wir schon sieben Jahre in Deutschland. Für uns war das unser Zuhause und wir hatten schon einmal ein Leben aufgegeben.

Empfinden Sie sich als privilegiert? Nur wenige Flüchtlingskinder machen Abitur.

Wir sind ein gefundenes Fressen für die, die sagen, wenn man nur fleißig genug ist, kann man es trotz aller Widrigkeiten schaffen. Es wäre aber fatal zu sagen, wir könnten Repräsentanten sein für eine so heterogene Gruppe wie die der Flüchtlinge. Wir haben unglaublich viel Hilfe bekommen und unser Fluchtweg war schon privilegiert, weil wir geflogen sind.

Was müsste sich in der deutschen Flüchtlingspolitik ändern?

Schwierige Frage, da gibt es so vieles. Am wichtigsten wäre mir, dass Flüchtlinge nicht mehr nur unter ihrem Aspekt der Nützlichkeit betrachtet werden. Seit der Sarrazin-Debatte gibt es so eine Perspektive, nach der die schlauen Köpfe und die Fachkräfte hier erwünscht sind, aber alle anderen, die irgendwelche Probleme bereiten könnten, werden nicht gebraucht. Wenn man so denkt, kann man das Recht auf Asyl auch gleich abschaffen.

Erleben Sie jetzt noch Diskriminierung?

Nicht ständig in allen Bereichen unseres Lebens. Was mich am meisten stört, ist, wenn wir gelobt werden, als Ausländer, die es geschafft haben. Oder wenn wir wie Opfer behandelt und betüddelt werden. Das verhindert, dass man eine analytische Sicht auf das Thema bekommt.

War Ihre Mutter eigentlich dagegen, dass Sie das Buch schreiben, aus Angst um Ihre berufliche Zukunft?

Nein, so denkt sie nicht. Und nachdem Masoud und ich so genannte Elite-Universitäten verlassen haben, war ihr klar, dass wir einen anderen Weg gehen.Interview: EIB

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