Ökologie allein reicht nicht mehr

Das Bundesumweltministerium wird zwanzig. Gegründet im Wahlkampf nach Tschernobyl, sollte es zunächst die Bevölkerung beruhigen. Unter Klaus Töpfer wurde Umweltschutz dann zum medialen Pop. Heute zählen vor allem Arbeitsmarkteffekte

VON HANNA GERSMANN

So viel ist sicher: Sein neues Chefzimmer wird hinter Glas und Naturstein sein. 2008 soll der Bundesumweltminister einen einwandfreien ökologischen Neubau am prominenten Potsdamer Platz in Berlin beziehen. Knapp 50 Millionen Euro werden dann verbaut sein. Wie gewichtig aber das Ressort im Kabinett sein wird, ist fraglich.

Heute feiert das Bundesumweltministerium zwar seinen 20. Geburtstag. Vor der Bundestagswahl sah es aber schon mal so aus, als sei das Ressort ein Auslaufmodell. Das CDU-Wahlteam konzipierte stattdessen ein neues Ministerium für „Infrastruktur, Energie und Verkehr“. Die Atomfragen schlugen sie dem Wirtschaftsminister zu. Dann kam jedoch eine große Koalition – und SPD-Mann Sigmar Gabriel wurde Umweltminister.

Gabriel gibt sich als „Innovationsminister“. Er redet lieber von „mehr Arbeit“ statt von „mehr Umweltschutz“. Die Umweltpolitik schaffe heute mehr Stellen, als sie vernichtet, zum Beispiel in der Windkraftindustrie. Doch „den Umweltschutz als Jobmotor zu sehen, hat nicht nur Vorteile“, sagt Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes und CDU-Mitglied. Umweltschützer seien „nicht mehr frei“. Ökologie pur ist bei der jetzigen Regierung aber nicht in. Das war mal anders.

Es war das Wahljahr 1986, als nach dem Reaktorbrand in Tschernobyl eine radioaktive Wolke aus der Ukraine nach Westen zog. 41 Tage später kreierte CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl das Bundesumweltministerium. Er holte den Frankfurter Oberbürgermeister Walter Wallmann, der fortan das Becquerel-verängstigte Volk beruhigen sollte. Umweltpolitik als Katastrophenbewältigung. Zuvor waren Waldsterben, Dreck in der Luft und Giftmüllschiebereien Sache des Innenministers. Der CSU-Minister Friedrich Zimmermann etwa verpflichtete die Industrie, Filter in ihre Schornsteine einzubauen, und ersann den Katalysator fürs Auto. Als Vizekanzler hatte er im Kabinett viel zu sagen. Das neue Ministerium brachte der Regierung also ein Alibi, der Umwelt zunächst aber wenig.

Als Wallmann schon nach einem Jahr als Ministerpräsident wieder zurück nach Hessen ging, blieb allein das „Wallmann-Ventil“ für Atomkraftwerke. Damit soll der Druck abgelassen werden, der sich bei einer Kernschmelze aufbaut. Reaktorhüllen platzten nicht mehr, erklärte Wallmann. Alles sei sicher. Bei einer Dampfexplosion hilft die Technik aber nicht. Ein umweltpolitischer Aufbruch sieht anders aus.

Dann kam Klaus Töpfer. Er machte Umweltschutz immerhin zum medialem Pop: Weil er eine Wette verlor, sprang er in den Rhein und wollte zugleich beweisen, dass die Flüsse wieder sauber waren. Töpfer redete viel und tat wenig, meinen seine Kritiker. Er forderte ein Vetorecht für den Umweltminister, das hat aber bis heute nur der Finanzminister. Töpfer hinterließ einen Grünen Punkt und die Drohung, irgendwann ein Dosenpfand zu erheben.

Die heutige CDU-Bundeskanzlerin, Angela Merkel, hat auf dem Posten nicht mehr Glück. Die Flüsse, die Seen, die Atemluft waren weitgehend saniert, und Umweltpolitik kam außer Mode. Merkel fabrizierte ein Sommersmoggesetz. Helmut Kohl zerstückelte es wieder. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen fand ihr Wirken „eher bescheiden“. Dafür erstellte sie eine schwarze Liste mit aufmüpfigen Mitarbeitern des Umweltbundesamtes und untersagte ihnen Kontakte zu Parlamentariern. Merkel schätzte die fortschrittlichen grünen Gedanken nicht.

Dabei musste die Ökologie dringend modernisiert werden. Die Bürger verschlingen Energie, produzieren Müllberge und Staus. Filter, Kläranlagen, bessere Technik allein helfen nicht mehr. Das Problem bekam aber auch Merkels grüner Nachfolger, Jürgen Trittin, nicht in den Griff.

Trittin holte zwar die erneuerbaren Energien ins Umweltressort. „Doch für die Energieeffizienz ist immer noch der Wirtschaftsminister zuständig“, kritisiert zum Beispiel Martin Jänicke. Der Professor leitet die Forschungsstelle Umweltpolitik an der FU Berlin.

Den rot-grünen Koalitionsvertrag hat der als „Dosenminister“ verhöhnte Trittin allerdings wie kein anderer abgearbeitet und mit der ihm eigenen Konfliktfreude für Ökosteuer, Erneuerbare-Energien-Gesetz und eine Reform des Naturschutzgesetzes gesorgt. Noch ist unklar, ob sein Nachfolger, Sigmar Gabriel, mit Umweltanliegen ähnlich viel Aufsehen erregt. Denn sein jetziger Job scheint für ihn nur eine Durchgangsstation. Gefragt, wohin er will, sagt er: ins Wirtschaftsministerium.