: BKA speichert schrille Stimmen
POLIZEI Die Hooligan-Datei und andere Gewalttäterdateien bekommen eine Rechtsgrundlage. Was ein „zukünftiger Straftäter“ ist, bleibt aber offen
VON CHRISTIAN RATH
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat rund 80 Dateien des Bundeskriminalamts vor der Rechtswidrigkeit gerettet. Dazu gehören die Hooligan-Datei, die Dateien für „Gewalttäter links“ und „Gewalttäter rechts“. Am Mittwoch tritt die von de Maizière erlassene BKA-Daten-Verordnung in Kraft – just an dem Tag, an dem das Bundesverwaltungsgericht über die Zulässigkeit der Hooligan-Datei entscheiden wollte.
Vor wenigen Wochen hatte de Maizière einen Entwurf der BKA-Daten-Verordnung an die Länder gesandt. Der Entwurf wurde aber nicht veröffentlicht. Bekannt wurde er erst letzten Donnerstag, als er kurzfristig auf die Tagesordnung des Bundesrats genommen wurde. Am Freitag stimmte die Länderkammer dem Entwurf dann ohne Aussprache zu, anschließend unterschrieb de Maizière die Verordnung, am 9. Juni tritt sie in Kraft.
Das Innenministerium rechtfertigt das blitzartige Vorgehen damit, dass faktisch nichts geändert werde. Die Verordnung sei nach Auffassung des Ministeriums eigentlich unnötig und diene nur der Rechtssicherheit. Tatsächlich haben aber mehrere Verwaltungsgerichte seit 2008 entschieden, dass die Hooligan-Datei derzeit rechtswidrig ist. Das BKA-Gesetz erlaubt zwar die Einrichtung von zentralen Dateien – welche Daten darin gespeichert werden dürfen, müsse aber laut Gesetz in einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats festgelegt werden. Auf diese Verordnung hat die Bundesregierung bisher verzichtet und die Dateien nur auf interne Einrichtungsermächtigungen gestützt. Nach Ansicht von Ex-Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) war dies ausreichend, weil alles Wesentliche bereits im BKA-Gesetz stehe.
Sein Nachfolger de Maizière wollte nun aber kein Risiko eingehen und schuf schnell die von den Gerichten geforderte Verordnung. Dies ist zumindest ein Gewinn an Transparenz, denn die Verordnung ist öffentlich, die Einrichtungsermächtigungen waren geheim.
In der Verordnung ist nun nachzulesen, was über Beschuldigte, Verdächtige und „zukünftige Straftäter“ gespeichert werden kann. Neben den üblichen Personalien können allerlei Besonderheiten wie eine ungepflegte Erscheinung, eine schrille Stimme, ein Dialekt, ein Sprachfehler oder auffällige Tätowierungen erfasst werden. Auch die Schuhgröße, die Handschrift und das Gewicht sind, soweit bekannt, in den BKA-Dateien speicherbar. Ob der Speicherumfang damit ausgeweitet wird, bleibt unklar, da die bisherige Errichtungsermächtigung ja nur intern bekannt war.
Unter welchen Voraussetzungen eine Person, die bisher nicht verdächtig war, als „zukünftiger Straftäter“ eingestuft wird, bleibt offen. Laut dem schon lange geltenden BKA-Gesetz müssen „bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Betroffenen Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden“. Dies wird auch in der neuen Verordnung nicht konkretisiert.