Gas, Strom und Wärme aus der Rübe
In zwei neuen Anlagen produzieren die Stadtwerke Aachen bald ihr eigenes Biogas. Das soll mit einer speziellen Technik sogar Erdgasqualität bekommen. Auch die Landwirte der Region profitieren davon, weil sie wegen sinkender EU-Subventionen neue Abnehmer für ihre Produkte brauchen
VON LUTZ DEBUS
Kerpen ist ein beschauliches Örtchen zwischen Köln und Aachen. In letzter Zeit ist es allerdings etwas lauter geworden: Etwas außerhalb, am Waldesrand, wird seit April gebaggert und gebaut. Ein zylinderförmiges Gebilde aus Stahlbeton ist bereits zu erkennen. Käme noch eine runde Kuppel auf das Bauwerk und wäre es etwas größer, man könnte glauben, hier entsteht ein Atomkraftwerk. Doch für Befürchtungen, der Bundeswirtschaftsminister habe dem Land NRW womöglich ein neues Atomprogramm verpasst, besteht kein Grund. Im Gegenteil. Die Stadtwerke von Aachen, die STAWAG AG, bauen hier eines ihrer zwei Bio-Erdgas-Anlagen. Die andere Anlage entsteht im Grenzörtchen Straelen, bislang sonst nur bekannt durch entsprechende Verkehrshinweise im Radio.
Biogasanlagen sind inzwischen weit verbreitet. Die Technologie, mit einem Gärvorgang aus Pflanzenabfällen brennbares Gas zu gewinnen, ist nicht neu. Bundesweit erstmalig aber soll das so gewonnene Biogas ab November diesen Jahres mit dem so genannten Druckwechselabsorptionsverfahren soweit aufbereitet werden, bis es Erdgasqualität hat und ins allgemeine Versorgungsnetz eingespeist werden kann. Bei diesem Verfahren wird dem Biogas Kohlendioxid entzogen, bis der Methangehalt von etwa 50 Prozent auf 95 Prozent angestiegen ist.
Das noch unter der rot-grünen Bundesregierung beschlossene Erneuerbare-Energien-Gesetz macht es möglich, dass die beiden Anlagen wirtschaftlich arbeiten. Um den gesetzlich vorgeschriebenen Preis für Strom zu erhalten, muss dieser allerdings mit modernster Technologie gewonnen werden. So sind die beiden Bio-Erdgas-Anlagen nur ein Teil des Gesamtprojektes. Dezentral werden in Blockheizkraftwerken im Raum Aachen aus Erdgas sowohl Wärme wie auch Strom gewonnen. Der Wirkungsgrad dieser Methode liegt bei etwa 85 Prozent. Die Kraft-Wärme-Kopplung ist also viel effektiver, als würde man aus Erdgas nur Strom oder Wärme erzeugen. Natürlich, so gibt Kai Mennigmann von der STAWAG zu, werde nicht genau das Erdgas in den Blockheizkraftwerken verbrannt, das in Straelen und Kerpen produziert wird. Aber es sei die gleiche Menge.
Mennigmann nennt Zahlen. Beide Anlagen inklusive der Blockheizkraftwerke werden knapp 10 Millionen Euro kosten. Dafür produzieren sie etwa 38.000 Megawattstunden Strom pro Jahr. Das ist der Bedarf von über 10.000 Haushalten. Direkt an den Anlagen werden dauerhaft acht Mitarbeiter beschäftigt. Außerdem kommt der Einkauf der Biomasse den örtlichen Landwirten zu gute. Diese sind durch die sinkenden Zuckersubventionen und diversen Tierseuchen dankbar, mit der STAWAG einen krisenfesten Abnehmer ihrer Produkte zu bekommen.
Die STAWAG wiederum erhofft sich, durch die Eigenproduktion von Gas, Wärme und Strom etwas unabhängiger von den großen Energieanbietern und deren Preispolitik zu werden. Diese aber zeigen mittlerweile auch ein großes Interesse an den Baustellen in Straelen und Kerpen. Ob für die Exmonopolisten diese dezentrale Energiegewinnung verlockend oder bedrohlich ist, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Bomben bauen kann man mit diesen Kraftwerken nicht. Noch nicht einmal Stinkbomben. Die Anlagen, so Kai Mennigmann, werden geruchsfrei arbeiten.