Fußballkleid und Bierkastenkissen

Zieht die ollen Trikots aus! Denn: Es gibt Hoffnung für die Designwüste Fußballkultur. Berliner Geschäfte und Labels bieten elegante Alternativen zum schlabberigen Polyacryl-Leibchen. Von Ballkleidern bis zum Frühstückgeschirr im Rasen-Design kommen auch anspruchsvolle Fans auf ihre Kosten

Unförmige Trikots, Schals aus Polyacryl und Plastiktröten: Die vorherrschende Fußball-Fankultur ist an ästhetischen Höhepunkten nicht gerade reich. Doch spätestens seit David Beckham mit gesträhntem Haar und manikürten Fingernägeln auf dem Rasen auftauchte, sind die Zeiten der gestalterischen Unschuld vorbei. Die Designwelle hat die Fußballwelt erfasst. Produktdesigner, Modeschöpfer und andere Kreative spielen hemmungslos mit runden Formen, schwarzweißen Sechsecken und Spielfeldlinien.

Ein Frühstücksset aus Müslischalen, Tassen im schwarzweißen Balldesign und rasengrünen Tellern, ein wattiertes Sitzkissen namens „Soccer Hocker“, das genau auf eine umgedrehte Bierkiste passt – das gibt es im „Goal“ am Kreuzberger Heinrichplatz. „Eine Welt für Fußball“ hat Tülin Duman ihren frisch eröffneten Laden genannt. Die 27-jährige Kreuzbergerin ist selbst Fußballfan und möchte ästhetisch anspruchsvolle Ball-Liebhaber aller Altersstufen ansprechen.

Die Kinder aus dem Viertel, die sich jeden Tag zahlreich die Nasen am Schaufenster platt drücken, können sich selten mehr als den Fußball-Kugelschreiber oder ein paar Sammelbildchen leisten. Dafür können sie unter sachkundiger Anleitung der Inhaberin den Fußball quer durch den Laden ins Netz schießen: Der Boden des etwa 30 Quadratmeter kleinen Geschäfts ist mit Plüschrasen und authentischen Spielfeldlinien bedeckt.

Nationalflaggen, Wimpel oder Perücken gibt es bei Goal nicht. „Die klassische WM-Kundschaft spreche ich gar nicht an“, sagt Tülin Duman. Dafür bietet sie eine Mischung aus geschmackvoller Massenware und lokalem Design. Die hauseigene Kollektion von T-Shirts, Postkarten und Plakaten mit dem Aufdruck „Soccers United“ entwarf die Kreuzberger Grafikerin Tina Özdemir, mit dem Kauf des Torhüter-Quartetts „Legenden der Linie“ wird die Kreuzberger Jugendhilfe unterstützt. Aus Prenzlauer Berg kommen die nostalgischen Trikots von Heartfields, die mit historischen Stadion-Namen wie „Rote Erde“ und „Plumpe“ bedruckt sind. „Die meisten Kinder wissen gar nicht mehr, dass ‚Plumpe‘ das alte Hertha-Stadion im Wedding war“, sagt Tülin Duman. Zur Aufklärung empfiehlt sie die reichlich vorhandene Fachliteratur, zum Beispiel das „WM Lexikon“. Reißenden Absatz findet gerade der im Tropen Verlag erschienene Comic „Die 90. Minute. Dramatische Fußballgeschichten“. Kulturfreunde bevorzugen vielleicht eher Philippe Dubaths fiktives Werk „Zidane und ich. Brief eines Fußballers an seine Frau“. Oder großformatige Digitaldrucke mit hübschen Berliner Motiven und ebenso hübschen Namen: Zum Beispiel „Schützer des Telespargels“ oder auch „Über jede Mauer – Berliner Mauer“.

Die üblichen Aschenbecher, Feuerzeuge und Flaschenöffner in Fußballform sowie diverse Tröten und Trommeln gibt es natürlich auch. „Es kommen viele Frauen, die etwas für ihren Freund, oder ältere Leute, die ein kleines Mitbringsel für die Enkelkinder suchen“, beschreibt Tülin Duman ihre Kundschaft. Sie selbst gucke alles, sagt sie, „sogar Hertha“. Zum WM-Auftakt hat sich die Pharmazeutin Urlaub von ihrem Hauptjob genommen, um ganz für den Fußball und ihren Laden da zu sein.

Ganz so fanatisch ist Claudia Weiler nicht. Die Inhaberin des Modelabels „Killerbeast“ in der Schlesischen Straße ist eher notgedrungen auf den WM-Zug aufgesprungen. „Immer wieder kamen Kundinnen in meinen Laden und fragten nach Fußballkleidern“, sagt sie. Also setzte sich Claudia Weiler an die Nähmaschine und legte los. Jetzt hängen bei Killerbeast ärmellose Etuikleider aus gemusterten Sommerstoffen mit Trachtenmotiven und schwarzweißen Fußballelementen. Zum rasengrünen Modell mit cremefarbenen Spiellinien passt die gesteppte Umhängetasche aus Lkw-Plane im gleichen Design. Für drunter gibt es einen schwarzweißen BH. Die aus Theaterlatex gegossenen Kappen, die Stuttgarter Designer exklusiv bei Killerbeast anbieten, sehen gut aus, bieten aber nur bedingten Tragekomfort. Das Material ist nicht nur wasserabweisend, sondern auch atmungsrestistent. „Zwei habe ich neulich an ein japanisches Pärchen verkauft“, sagt die Modedesignerin fast staunend. Auch die Kleider ihrer Kindermarke „Schnullerbeast“, Miniaturausgaben der Erwachsenenkollektion, gingen sofort weg. „Ich kann verstehen, dass weibliche Fußballfans nicht immer in blöd bedruckten Shirts rumlaufen wollen“, sagt Weiler. Neben der Nähmaschine liegt ein aufgeschnittener Fußball und wartet auf ihre Ideen. Zum Kunst-Fußball-Festival „Ball of Fame“ wird Claudia Weiler am 24. Juni mit anderen ModemacherInnen um das schönste „BallKleid“ konkurrieren. Damit die Berlinerinnen neben den Designer-Trikots ihrer Männer nicht ganz so blass aussehen.

NINA APIN

Goal – Eine Welt für Fußball. Oranienstraße 194 am Heinrichplatz. Killerbeast, Schlesische Straße 31.