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Archiv-Artikel

Mit Gesang und Gott

Der einstige Bayer Sammy Kuffour ist der Chef bei Ghana. Für sein Team beginnt heute gegen Italien die WM

WÜRZBURG taz ■ Leider ist es Menschen, die nicht zur ghanaischen Delegation gehören, nicht gestattet, im Mannschaftsbus mitzufahren. „Wir singen und beten auf dem Weg zu den Spielen und zum Training“, sagt Anthony Baffoe, der Exbundesligaprofi, der eine Art Managerfunktion für das ghanaische WM-Team ausfüllt. Da der Mannschaft gleichermaßen islamische und christliche Spieler angehören, dürfte sich dort eine bunte Mischung aus Gesang, Gebet und CD-Beschallung bieten, und inmitten des Ganzen sitzt dann Sammy Kuffour, der gern trommelt, singt und keine Gelegenheit auslässt, seinen Glauben zu verkünden.

„Jeder bei uns glaubt an Gott, ohne ihn können wir bei diesem Turnier nicht spielen“, sagt der frühere Münchner, der mittlerweile für den AS Rom spielt. „Gott hat uns bisher geholfen, und Gott wird uns gegen Italien helfen“, meint er vor dem heutigen Spiel gegen die krisengeschüttelten Südeuropäer. Für die Ghanaer sind Religion und Gesang eine Art Spaßgenerator, ein Stoff, der die Mannschaft zu einer Einheit verschmelzen lässt. Was in den ersten Tagen der WM tatsächlich bitter nötig war: „In Deutschland ist es immer kalt“, sagt Kuffour auf die Frage, ob er München vermisse. Als das Team vor drei Wochen ankam, war es kalt wie im Spätherbst und die Stimmung merklich gedrückt. Jetzt hat die Mannschaft zwei gelungene Vorbereitungsspiele hinter sich, Siege gegen Jamaika (4:1) und Südkorea (3:1), die Sonne scheint und die ghanaische Welt ist in Ordnung.

Fast schon väterlich wirkt Abwehrchef Kuffour im Kreis seiner Kollegen. Seinen Hang zum anachronistischen Liberospiel kontrolliert er in diesem Team noch weniger, als er es in München tat. Ghana ist mit einem Durchschnittsalter von 25,2 Jahren das jüngste aller WM-Teams. Kuffour ist zwar auch erst 29, aber eine Respektsperson.

Fast jedoch wäre Kuffour gar nicht dabei bei dieser Weltmeisterschaft, denn während der Qualifikation hatte er einen heftigen Disput mit dem serbischen Trainer Ratomir Dujković. Er hatte ein Trainingslager wegen einer Verletzung abgesagt, spielte aber wenige Tage später ein Freundschaftsspiel mit dem AS Rom. Das konnte sich der Trainer nicht gefallen lassen, er strich Kuffour für längere Zeit aus dem Kader. „Eine bestimmte Gruppe von Spielern brauchte etwas Disziplin“, erklärt Dujkovic nach dem Konflikt. Überhaupt sei die „Installation von Disziplin“ seine größte Herausforderung gewesen.

Kuffour sagt, „das war ein Missverständnis“, er habe „kein Problem“ mit Dujković. Der Ärger ist vom Tisch, und der Spieler hat seinen Platz im Team sicher. Ohnehin hält sich rund um das Team hartnäckig das Gerücht, dass die Mannschaft sich eigentlich selbst trainiere. In den Monaten vor der WM wurde in Ghana heftig über eine Trainerentlassung debattiert, weil der Afrika-Cup im Winter ein großer Misserfolg war. Kapitän Stephen Appiah von Fenerbahce Istanbul und eben Kuffour seien die heimlichen Chefs, heißt es. Beim öffentlichen Training von Würzburg stand der Trainer 90 Minuten lang am Spielfeldrand und schaute zu, was seine Spieler machten. Ohne ein einziges Mal einzugreifen. „Er ist eben ein ruhiger Typ“, sagt Otto Addo von Mainz 05, „und er hat eine gute Auswahl an Spielern getroffen.“

DANIEL THEWELEIT