: Tasche leer
HAUSHALT Hamburg bleibt nichts erspart. Nach drei Tagen Finanzklausur im Rathaus wird der Senat am Mittwoch die Liste der Grausamkeiten verkünden
Bis 2013 fehlen 7,7 Milliarden Euro, erklärte der Senat im Oktober 2009 und legte seinen Plan vor:
■ Noch 2009 sollten 1,67 Milliarden und für 2010 weitere 1,85 Milliarden Euro neue Schulden gemacht werden.
■ 2011 bis 2013 soll die jährliche Neuverschuldung bei rund 900 Millionen Euro liegen.
■ Rücklagen von 1,7 Milliarden Euro sollen aufgelöst werden.
■ Die Steuerschätzung im Mai 2010 ergab ein zusätzliches Minus von 336 Millionen Euro bis 2013.
■ Im Ergebnis fehlen selbst bei maximal zulässiger Neuverschuldung 2010, 2011 und 2012 jeweils 556 Millionen Euro, 2013 sind es schon 666 Millionen und 2014 mehr als eine Milliarde.
Ginge es nur um 57 Euro, wäre das halb so schlimm. Das ist die Summe der Schulden, die Hamburg pro Sekunde anhäuft. Diese Verschuldung zu stoppen, ist schon schwer genug, sie aber auch rückgängig zu machen, erscheint fast aussichtslos. Zweieinhalb Tage lang – von Montag bis Mittwochmittag – wird der Senat es auf einer Klausurtagung im Rathaus dennoch versuchen. Das Ergebnis wird Bürgermeister Ole von Beust (CDU) am Mittwoch um kurz nach 15 Uhr in einer Regierungserklärung vor der Bürgerschaft vorstellen. Es wird, das steht bereits fest, eine Liste der Grausamkeiten werden.
Zu den belastbaren Spekulationen gehört, dass die Verlagerung der Uni in den Hafen wegen Unbezahlbarkeit unter den Tisch fällt. Die Hafencity-Uni wird wohl auch gestrichen, dem Museum der Arbeit droht wegen Besuchermangels die Schließung. Das jedoch reicht hinten und vorne nicht, denn die rabiatesten Sparmöglichkeiten liegen bei den laufenden Kosten: Es wird zum Abbau von Personal im öffentlichen Dienst kommen, und wer bleiben darf, muss länger arbeiten – erstens pro Woche und zweitens überhaupt durch Anhebung der Pensionsgrenzen um ein bis zwei Jahre.
Um 556 Millionen Euro muss der Haushalt allein im kommenden Jahr gekürzt werden, das hatten von Beust und der neue Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) bereits Ende Mai angekündigt (siehe Kasten). „Wir haben jahrzehntelang über unsere Verhältnisse gelebt und haben strukturelle Probleme im Haushalt, die gigantisch sind“, sagte von Beust. Und das früher beliebte Verschachern von Unternehmen – wie beim Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK), der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) oder den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW) – kommt irgendwann logischerweise an sein Ende.
Ohne hartes Sparen würde sich der Schuldenberg der Stadt von 24 Milliarden Euro – das entspricht zweieinhalb Jahreshaushalten – ungebremst weiter erhöhen. Schon jetzt muss Hamburg Tag für Tag drei Millionen Euro an Zinsen zahlen – übers Jahr ist das eine glatte Milliarde Euro.
Kaum gespart werden dürfte indes bei den Investitionen, auch nicht bei Stadtbahn oder Elbphilharmonie. Denn verfassungsrechtlich dürfen die jährlich neuen Schulden die Summe der Investitionen nicht übersteigen. Um überhaupt mit Krediten Betriebskosten bezahlen zu können, darf die Stadt nicht an der Schaffung von Werten sparen.
Notwendig in der Haushaltspolitik sei „eine neue massive Ehrlichkeit“, stellt von Beust klar. Die Wahrheit kann bekanntlich schmerzhaft sein. Sie lautet: Tasche leer. SVEN-MICHAEL VEIT