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Archiv-Artikel

Glamouröses aus Neukölln

KITSCH Die Familie Omeirat verkauft in Berlin-Neukölln günstige Möbel, die jedem Palast Ehre machen würden. Ihr Laden funktioniert multikulturell – und ist überaus erfolgreich

VON ALKE WIERTH

Italienisches Design!“ Frau Omeirat antwortet ohne Zögern auf die Frage, welcher Stil gerade in ist bei der Wohnungsdekoration. Und die Möbel und Accessoires, die im Geschäft der Familie Omeirat zu kaufen sind, erinnern tatsächlich an den Stil italienischen Designs: schwarz, weiß, silber und gold, viel klassisches Mäandermuster und antiken Säulenkapitellen nachempfundene Tisch- und Sofafüße. Natürlich, sagt Howeida Omeirat, seien die Sachen nur nachempfunden.

Die Produkte in der „El-Salam Style-Galerie“ kommen aus China, aus Syrien und anderen arabischen Ländern. Designermöbel könnte sich wohl kaum jemand leisten hier im Norden des Berliner Bezirks Neukölln, einer der ärmsten Gegenden der Hauptstadt und wohl der ganzen Republik. Doch die so prächtigen wie preiswerten Möbel und Ausstattungsstücke aus dem Geschäft der Omeirats kommen an bei der multikulturellen Bevölkerung Neuköllns. Schwere Polstergruppen, die jedem Staatsempfang Ehre machen würden, goldbemalte Deckenstuck-Elemente aus Styropor, lebensgroße Flamingos aus Goldgeflecht, die Lampen auf dem hochgereckten Schnabel balancieren – manche Wohnungen hier im Arme-Leute-Kiez müssen innen wie Paläste aussehen.

Howeida Omeirat zeigt Fotos ihrer Wohnung: Gardinen gerafft wie schwarz-silberne Wasserfälle, mit Pailletten bestickt, kunstvoll dekorierte Seidenblumenbukets. Modedesignerin wäre sie geworden, sagt sie – wenn sie die Chance gehabt hätte. Sie war dreizehn, als sie vor dem Krieg im Libanon nach Berlin flüchtete. Ein Jahr lang ist sie hier zur Schule gegangen, gerade genug, um die neue Schrift und etwas Deutsch zu lernen. Mit sechzehn hat sie ihren Mann geheiratet. Jetzt haben die beiden neun Kinder, sechs bis neunzehn Jahre alt, die älteste Tochter ist seit einem Jahr verheiratet.

Kriegsflüchtling, Tellerwäscher, Firmenchef

Shukry Omeirat, Howeidas Mann, kam mit sechs Jahren als Kriegsflüchtling aus Beirut nach Deutschland. An den Bürgerkrieg erinnert er sich gut: Die Flugzeuge, die niedrig über die Stadt flogen, könne er nicht vergessen, sagt der Vierzigjährige.

Die Schule hat Omeirat in einer Kleinstadt in Baden-Württemberg besucht: „Das war gut für mich“, sagt er. Er sei der einzige arabische Schüler in der Klasse gewesen und habe schnell Deutsch gelernt. Dort hat er den Hauptschulabschluss gemacht, bevor die Familie nach Berlin zog. Seinen Aufstieg zum Geschäftsmann begann Omeirat ganz klassisch: als Tellerwäscher, dann Kellner und Barmann. Später eröffnete er mit seinem Vater ein Lebensmittelgeschäft.

Heute trägt Shukry Omeirat Verantwortung für 25 Menschen: Für seine Frau und die Kinder, für Mutter und Schwiegermutter, die beide Witwen sind, und für vierzehn Angestellte, die im Möbelladen und einer arabischen Bäckerei arbeiten, die die Familie auch besitzt. Shukry Omeirat kümmert sich um Lieferungen und Aufträge, bis nach China reist er für Einkäufe. Das Geschäft mit den glamourösen Möbeln ist zu seiner Erfolgsgeschichte geworden.

Die riesigen Kristallkronleuchter im Laden, viel zu mächtig für jede Wohnung, verkauft er an die großen Mietsalons, in denen Berliner türkischer und arabischer Herkunft Hochzeiten feiern. Die Kunden im Laden sind Araber, Türken, Jugoslawen, Roma, Deutsche: „Die sind sehr nette Kunden, aber sie kaufen eher kleinere Sachen, Lampen, Spiegel, Geschirr“, erzählt Howeida Omeirat, die sich um den Verkauf kümmert.

Der Laden ist auch der Mittelpunkt der Familie: Hierher kommen Verwandte und Freunde zu Besuch, hier treffen die Omeirats auf die anderen Bewohner des Multikulti-Bezirks Neukölln. Deutsche Freunde habe er nicht mehr, sagt Shukry Omeirat. Nicht, weil er das nicht wolle: „Ich habe einfach keine Zeit mehr dazu.“ Urlaub oder Ausflüge ins Ausland oder in Deutschland hat die Familie noch nie gemacht – auch, weil Howeida Omeirat bis vor kurzem keinen sicheren Aufenthaltsstatus hatte, der Reisen erlaubt hätte. Bei Deutschen zu Hause sei sie mal gewesen, erzählt sie: Die hätten weniger Möbel in der Wohnung, „sehr elegant“, sagt sie. Mit neun Kindern ginge das aber nicht.

Eigentlich sind es ihre Kinder, über die die Omeirats – vom Geschäft abgesehen – Deutschen begegnen. Fünf gehen zur Grund- , zwei zur Oberschule. Dass seine Kinder lieber Deutsch als Arabisch sprechen, dass sie Deutsche werden könnten, ihre arabische Kultur vergessen – mit diesen Fragen beschäftigt sich Shukry Omairat nicht. Er selbst kann nicht Arabisch lesen oder schreiben, deutscher Staatsbürger ist er längst. „Wir sind hier zu Hause“, sagt er. Seine Familie sei froh und dankbar, dass sie nach Deutschland habe flüchten können. Der Name seines Geschäfts, „El Salam“, bedeutet „Frieden“.