leserinnenbriefe
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WählerInnen bewirken nichts

■  betr.: „Die Nacht, als die Ampel erlosch“, taz vom 12. 6. 10

Wie sollen Wähler und Wählerinnen noch Vertrauen aufbringen in diese Politiker, von denen kein Einziger die Stimme erhebt für das alleinig faire, verantwortungsbewusste Mittel in dieser Sackgasse: Neuwahlen. Aus Angst vor neuen Verhältnissen, mit für die einen Parteien erheblichen Stimmenverlusten und für andere mit Gewinnen und damit Verantwortung, bleiben alle Parteien still. Der Wähler wird weder ernst genommen noch aufgefordert, mit seiner Stimme selbst Verantwortung mit zu übernehmen.

Solange diese Mentalität der Verantwortungsabgabe bleibt, wird die Wahlbeteiligung immer weiter sinken. Der Eindruck des Wählers, seine Stimme bewirke nichts, wird durch das jetzige Verhalten der SPD, aber auch aller, die Verantwortung immer zuerst bei anderen suchen, noch einmal bekräftigt. MARIA SCHÄFER, Olpe

Ein bekanntes Spiel

■  betr.: „Das kleinere Übel“, taz vom 12. 6. 10

Nach gescheiterten Gesprächen mit allen möglichen Koalitionspartnern will Hannelore Kraft nun aus der Opposition heraus Politik machen, und Jürgen Rüttgers bleibt vorerst geschäftsführend Ministerpräsident. Ein Spiel, das man auch von der Pattsituation in Hessen her kennt. Ausgang offen, aber aus rot-grüner Sicht taktisch bestimmt klug, denn es muss ja nicht so enden wie in Hessen. Ob es zu einer neuen, tragfähigen Koalition oder zu Neuwahlen kommt, das wird jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Bis dahin wird man sehen, was geht und wie sich die Dinge entwickeln. Deshalb verwundert die Analyse von Stefan Reinecke, der jetzt – etwas sehr abgeklärt – eine große Koalition für Düsseldorf empfiehlt und an diese Option anscheinend gar nicht gedacht hatte. Vielleicht verkennt er doch ganz schön den Machtinstinkt und das taktische Kalkül von Frau Kraft. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass eine Frau in der Politik immer wieder und vor allem von Männern unterschätzt wurde. HARTMUT GRAF, Hamburg

Eine politische Bankrotterklärung

■  betr.: „Bildungsmilliarden für Hartz-IV-Kinder“, taz vom 12. 6. 10

Gutscheine? Gutscheine ersetzen keine Bildungspolitik, sie werden keine strukturellen Defizite ausgleichen, sie stigmatisieren ihre Nutznießer. Wer „vor Ort“ sollte diese „bildenden Freizeitaktivitäten“ anbieten? Städte und Kommunen haben in den letzten 20 Jahren nicht nur im Bereich Schulen gespart, sondern auch Jugendfreizeiteinrichtungen geschlossen oder dekommunalisiert, Bibliotheken leiden an chronischem Geldmangel, Stadtteilbüchereien fielen der Streichliste zum Opfer, Sportstätten, Schwimmbäder verkommen oder werden ebenfalls geschlossen. „Vor Ort“ fehlt es an zuverlässiger Finanzierung, um Kindern in „Risikolage“ dementsprechende Angebote zu machen, Brennpunktschulen machen immer wieder darauf aufmerksam, dass sie wichtige Fördermaßnahmen nur unzureichend leisten können. Oder sollten sich auch hier Marktchancen für private Träger eröffnen, deren Geschäftsführer nicht nur erstaunliche Gehälter kassieren, sondern einen Maserati als Dienstwagen und eine Dienstvilla am See zu unterhalten wissen? Der Fall der „Treberhilfe“ in Berlin dürfte hinlänglich bekannt sein. Dass Bund und Länder sich nicht auf gemeinsame Bildungsziele einigen konnten, ist ein Desaster; es kommt aber einer politischen Bankrotterklärung gleich, Bildungspolitik durch die Ausgabe von Gutscheinen ersetzen und dafür Milliarden von Steuergeldern bereitstellen zu wollen.

BRIGITTA DORSCHFELDT, Berlin-Neukölln