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Archiv-Artikel

Pfiffe und giftige Pfeile

Beim Kleinen Parteitag der schleswig-holsteinischen CDU wurde heftiger diskutiert, als es Ministerpräsident Peter Harry Carstensen lieb sein konnte. Die Kommunalpolitiker fühlen sich von der Regierung verraten

Es war ein heißer Abend im Kronshagener Bürgerhaus: Beim Kleinen Parteitag der schleswig- holsteinischen CDU stimmte die verärgerte Basis über das Sparpaket der Regierung ab. Das Paket werde von oben beschlossen, unten müsse es gestemmt werden, so der Tenor vieler Reden. „Wir müssen uns bepöbeln lassen“, klagte ein Bürgermeister. Ein anderer wandte sich an Carstensen: „Sie, Herr Ministerpräsident, haben ein Glaubwürdigkeitsproblem!“

120 Millionen Euro sollen die Kommunen im Jahr einsparen, doch auch den Landesbediensteten geht es an den Kragen: um 80 Millionen Euro jährlich sollen ihre Gehälter sinken. Prompt demonstrierten die Vertreter der Landesbediensteten vor dem Eingang, wo sie jeden Eintretenden gellend auspfiffen. Drinnen stimmte die Mehrheit der CDU-Delegierten dennoch dem Leitantrag und damit dem Sparpaket zu – ein vorhersehbarer Akt: Hätte der Parteitag dem Regierungs- und Parteichef Carstensen das Vertrauen in dieser Frage verweigert, hätte das eine Schwächung der CDU in der Regierung bedeutet. Mit dem Ja der Basis aber kann Carstensen in die Verhandlungen mit der SPD gehen.

Die werden hart. Die Kommunen wollen, wenn sie schon weniger Geld bekommen, auch weniger Aufgaben zugewiesen bekommen. Die Frage ist nur, wo man ansetzt. Denn zu den Aufgaben, die die CDU-Basis streichen will, zählen Dinge, die für die SPD indiskutabel sind: Gleichstellungsbeauftragte etwa oder Kita-Standards.

So diente der CDU-Parteitag auch dazu, die Geschütze gegen die Koalitionspartnerin SPD in Stellung zu bringen. Das heftigste Feuer zog Ralf Stegner auf sich: Der heutige Innenminister, der als starker Mann der SPD im Kabinett gilt, war früher Finanzminister und ist damit nach Ansicht der CDU mit schuld an der jetzigen Finanzmisere. „Er hat das Recht verwirkt, als Sparkommissar aufzutreten – für wie dumm hält er uns Feierabendpolitiker?“, meinte ein Redner. Agrarminister Christian von Boetticher beschwor den roten Ralf gar als „Herrn der Fliegen“.

Den giftigsten Pfeil zückte Carstensen, als er seinen Innenminister jovial für dessen „lupenreine CDU-Politik“ im Bereich der Inneren Sicherheit lobte – ein Stachel, der Stegner pieken dürfte, schließlich bewirbt er sich um das Amt des Parteichefs und verspricht, für gute alte sozialdemokratische Werte einzutreten. Morgen kommt die SPD-Basis zusammen. Es wird sicher ein heißer Abend werden.

ESTHER GEIßLINGER