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Archiv-Artikel

Die Literarische

Sonja Bachmann ist das, was man eine analytische und streng Literatur-orientierte Dramaturgin nennt. Am Bremer Theater hat sie Reihen wie „Wort wörtlich“ erfunden, in der sich Geisteswissenschaftler und Bühnenleute gemeinsam theatralen Texten näherten. Nun aber steht sie in Göttingen vor einer ganz anderen Aufgabe: Sie soll die Transformation des Jungen Schauspiels (JS) in eine neue Form von Kinder- und Jugendarbeit zu Stande bringen.

Das ist schwieriger, als es klingt. Denn die Auflösung des preisgekrönten JS, für das Erich Sidler, der künftige Chef des Deutschen Theaters, Bachmann engagiert, ist umstritten. Joachim von Burchard und Nicola Bongard müssen trotz einer Auslastung von 90 Prozent ihre Hüte nehmen, was bei Burchard ganz wörtlich zu nehmen ist.

Bachmann soll nun ein Konzept entwickeln, in dem Kinder- und Jugendarbeit außerhalb einer eigenen Sparte stattfindet. Ohne spezialisiertes Mini-Ensemble. Und statt ins kleine Studio wird der Nachwuchs mit ins große Haus genommen.

Für diesen integrativen Ansatz bringt Bachmann gute Voraussetzungen mit: Sie hat im Erwachsenen- und im Kinderbereich gearbeitet, was nicht selbstverständlich ist – die Altersschranken sind in der Theaterwelt noch immer einigermaßen hermetisch geschlossen. Bachmann arbeitet eng mit dem Regisseur Michael Talke zusammen, der ein profilierter Überbrücker des Denkens in Kinder- und Erwachsenensparten ist.

Bachmanns multigenerationelle Orientierung, die sie für Göttingen qualifiziert, wurde durch einen unfreiwilligen Einschnitt befördert: Unter Intendant Klaus Pierwoß war sie zur leitenden Bremer Schauspiel-Dramaturgin aufgestiegen, doch dessen Nachfolger wollte sie auf diesem Posten nicht übernehmen. Was blieb, war der Rückzug ins kleine Moks, dem sehr unabhängig vom Haupthaus agierenden Kinder- und Jugendtheater.

Sidler verspricht, dass der bisherige JS-Etat erhalten bleibt. Doch für das Ensemble dürfte die Belastung erheblich werden: SchauspielerInnen, die vormittags zwei Kinderaufführungen absolvieren, sind für die Probe der Erwachsenen-Premiere am Abend kaum noch zu gebrauchen. Bachmann wird Konfliktlust entwickeln müssen – damit ist die 43-Jährige bisher nicht aufgefallen.  HENNING BLEYL