Das ABC gegen das böse D

ADG (Antidiskriminierungsgesetz): Wurde mit rot-grüner Mehrheit im Juni 2005 vom Bundestag beschlossen und blieb im Bundesrat liegen. Wegen der Neuwahlen trat es nie in Kraft.

AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz): Nach dem Scheitern des ➤ ADG muss die SPD nun mit der CDU/CSU einen neuen Anlauf unternehmen, um die ➤ EU-Vorgaben umzusetzen. Um zu kaschieren, dass die große Koalition das rot-grüne ADG relativ unverändert beschließen will, hat sie es in Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umbenannt.

Alte und Junge: Der Schutz vor Altersdiskriminierung gilt im ➤ Arbeitsleben und im ➤ Geschäftsleben bei ➤ Massengeschäften. „Angemessene“ Höchst- und Mindestaltersgrenzen, zum Beispiel bei der Einstellung von Arbeitnehmern, bleiben zulässig.

Arbeitsleben: Wer bei der Einstellung, Beförderung o. Ä. diskriminiert wird, kann Schadensersatz verlangen. Verboten ist die Diskriminierung wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Alter, sexueller Identität, Religion und Weltanschauung. Hier waren die Vorgaben der EU besonders streng. Der Streit, ob das deutsche Gesetz über die EU-Vorgaben hinausgeht, betrifft vor allem das ➤ Geschäftsleben.

Ausländer: Der Schutz gegen Diskriminierungen wegen Rasse und ethnischer Herkunft ist besonders umfassend. Er gilt im ➤ Arbeitsleben und im ➤ Geschäftsleben. Dort ist er auch nicht auf ➤ Massengeschäfte beschränkt.

Ausnahmen: Das ➤ ADG/AGG sah von Beginn an viele Ausnahmen vor, um die Akzeptanz des Gesetzes zu erhöhen. So sind Kinderteller, Frauenparkplätze, Schwulenbuchläden und katholische Altersheime vom Diskriminierungsverbot ausgenommen. Auch für ➤ Vermieter gibt es zahlreiche Ausnahmen.

Behinderte: Nach den ➤ EU-Vorgaben sollten Behinderte nur im Arbeitsleben vor Diskriminierung geschützt werden. Im deutschen ➤ AGG werden sie jetzt auch bei ➤ Massengeschäften im ➤ Geschäftsleben geschützt. Kein Restaurant darf Behinderte einfach abweisen. Zur Vermeidung von Gefahren bleiben Ausnahmen für Behinderte jedoch weiterhin zulässig. So können ihnen zum Beispiel im Kino besondere Plätze zugewiesen werden.

Betriebsrat: Die SPD hat durchgesetzt, dass der Betriebsrat bei Diskriminierungen im ➤ Arbeitsleben auch klagen kann, wenn sich der Diskriminierte gar nicht wehren will. Diese Bestimmung geht über EU-Vorgaben hinaus.

Beweislastumkehr: Nur wenn Tatsachen vorliegen, die eine Diskriminierung nahe legen, muss der Beklagte beweisen, dass er nicht diskriminiert hat. Ein Beispiel: Es genügt nicht, dass sich ein Türke beschwert, weil er eine Stelle nicht bekommen hat. Wenn dem Türken jedoch gesagt wird, die Stelle sei vergeben, aber weiter Bewerber mit deutschen Namen zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden, riecht es nach Diskriminierung.

Bürokratie: Der Hauptvorwurf an das ➤ AGG lautet, es führe zu mehr Bürokratie. Unternehmen müssten alle Geschäftsvorgänge dokumentieren, um sich gegen ungerechtfertigte Klagen wehren zu können. Das ist Propaganda, bei der das Prinzip der ➤ Beweislastumkehr falsch dargestellt wird. Wer trotzdem alles aufhebt, kann die Unterlagen nach drei Monaten wegwerfen, weil Diskriminierungen dann verjährt sind.

CDU/CSU: In der Opposition und im Wahlkampf hat die Union das rot-grüne ➤ ADG massiv angegriffen, weil es ein „bürokratisches Monstrum“ sei. In der Regierung hat die Unionsspitze schnell gemerkt, dass Gefechte gegen eingebildete Gefahren der Wirtschaft wenig helfen. Deshalb ist Merkel der SPD beim ➤ AGG entgegengekommen. Sie wollte ihren Einfluss lieber dort einsetzen, wo es Unternehmern wirklich etwas bringt.

EU-Vorgaben: Im Februar 2000 wurde in Österreich Jörg Haider an der Regierung beteiligt. Da beschloss der EU-Ministerrat in Rekordzeit die Anti-Rassismus-Richtlinie, die eine Diskriminierung aufgrund von Rasse und ethnischer Herkunft verbietet. Inzwischen verbietet die EU mit insgesamt vier Richtlinien unterschiedlicher Reichweite die Diskriminierung im ➤ Arbeitsleben und im ➤ Geschäftsleben.

Frauen und Männer: Der Schutz vor Geschlechtsdiskriminierung gilt im ➤ Arbeitsleben und im ➤ Geschäftsleben bei ➤ Massengeschäften. Im Arbeitsleben ist die Diskriminierung von Männern und Frauen schon seit 1981 verboten. Maßnahmen zur Frauenförderung bleiben nach dem ➤ AGG zulässig.

Geschäftsleben: Wer im Restaurant, beim Bäcker, auf der Bank, bei der Versicherung oder sonst im Geschäftsleben diskriminiert wird, kann Schadensersatz und Unterlassung verlangen. Hier kann also auch der Abschluss von Geschäften erzwungen werden. Wie im ➤ Arbeitsleben ist die Diskriminierung verboten wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Alter, sexueller Identität, Religion und Weltanschauung. Hier geht das deutsche ➤ AGG über die EU-Vorgaben hinaus, was für viel Streit sorgt. Die EU verbietet im Geschäftsleben (bisher) nur die Diskriminierung wegen Rasse, ethnischer Herkunft und Geschlecht. Um den Schutz im Geschäftsleben wieder etwas einzuschränken, begrenzt ihn das AGG bei Geschlecht, Behinderung, Alter, sexueller Identität, Religion und Weltanschauung auf ➤ Massengeschäfte und ➤ Versicherungen.

Hautfarbe: Der Schutz gegen Diskriminierungen wegen Rasse und ethnischer Herkunft ist besonders umfassend. Er gilt im ➤ Arbeitsleben und im ➤ Geschäftsleben. Dort ist er auch nicht auf ➤ Massengeschäfte beschränkt.

Heuchelei: Diskriminierung lässt sich nicht hundertprozentig verbieten. Wer weiter diskriminieren will, muss sich nur geschickter anstellen und darf nicht offen zum Ausdruck bringen, dass er einem Schwarzen oder einer Lesbe keinen Gebrauchtwagen verkaufen würde. Für die Befürworter des ➤ ADG ist es bereits ein Erfolg, wenn offene Diskriminierungen geächtet werden und aus dem Alltagsleben verschwinden.

Homosexuelle: Der Schutz vor Diskriminierung wegen der sexuellen Identität gilt im ➤ Arbeitsleben und im ➤ Geschäftsleben bei ➤ Massengeschäften.

Juden und Muslime: Der Schutz vor Diskriminierung wegen der Religion gilt im ➤ Arbeitsleben und im ➤ Geschäftsleben bei ➤ Massengeschäften. Christliche ➤ Kirchen haben aber zahlreiche Ausnahmen durchgesetzt.

Kirche: Die CDU/CSU hat im Mai erreicht, dass Religionsgemeinschaften in ihren Einrichtungen generell die Einstellung von Andersgläubigen ablehnen können. Die SPD wollte dies nur zulassen, wenn die „Art der Tätigkeit“ einen bestimmten Glauben erfordert.

Klagewelle: Gegner des Gleichbehandlungsgesetzes befürchten, dass es zu zahlreichen ungerechtfertigten Klagen führt. Dagegen spricht, dass es im deutschen Arbeitsrecht schon seit 1981 eine Bestimmung gegen Geschlechtsdiskriminierung gibt, die nur zu einer Handvoll Klagen pro Jahr geführt hat.

Massengeschäft: Im ➤ Geschäftsleben ist die Diskriminierung wegen Geschlecht, Behinderung, Alter, sexueller Identität, Religion und Weltanschauung nur bei Massengeschäften verboten. Dazu gehören alle Geschäfte, die üblicherweise ohne Ansehen der Person geschlossen werden, also zum Beispiel im Supermarkt oder im Internet. Die Vermietung von ➤ Wohnungen soll auch bei Wohnungsgesellschaften nicht als Massengeschäft gelten, weil sich jeder Vermieter seine Mieter vor Vertragsabschluss genau ansieht.

Staat: Auch Bund, Länder und Gemeinden sind künftig an das ➤ AGG gebunden, soweit sie Arbeitgeber sind oder Waren und Dienstleistungen anbieten. Bei Gesetzgebung und Verwaltung gilt für den Staat das Verbot willkürlicher Diskriminierung schon lange, denn es steht im Grundgesetz („Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“). Sondergesetze für Ausländer sind und bleiben aber zulässig.

Symbolik: Schon heute gibt es im deutschen ➤ Arbeits- und Geschäftsleben wenig Fälle offener Diskriminierung. Zahlreiche ➤ Ausnahmen im Gesetz reduzieren die Zahl potenzieller AGG-Fälle weiter. Das Gesetz enthält damit vor allem ein staatliches Signal, dass die willkürliche Benachteiligung von Menschen aufgrund bestimmter Merkmale wie Geschlecht, Hautfarbe oder sexueller Orientierung in dieser Marktwirtschaft geächtet wird. Daher ist es wichtig, dass das deutsche Gesetz im ➤ Geschäftsleben über die zu engen EU-Vorgaben hinausgeht. Denn es macht keinen Sinn, besonders gefährdete Gruppen wie Muslime und Juden, Behinderte und Homosexuelle aus einem wertsetzenden Gesetz auszunehmen.

Versicherung: Versicherungen dürfen ihre Kunden im Prinzip nicht wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Alter, sexueller Identität, Religion und Weltanschauung diskriminieren. Ausnahmen sind aber dann erlaubt, wenn sie auf einer „versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen“ beruhen. Bisher müssen etwa Männer bei der Kfz-Haftpflicht und Frauen bei der Krankenversicherung oft mehr bezahlen.

Wohnung: Weite Teile der Wohnungswirtschaft sind aus verschiedenen Gründen von den Verpflichtungen des ➤ AGG ausgenommen. So kann der Vermieter bei einer Wohnung im eigenen Haus frei entscheiden, wen er einziehen lässt und wen nicht. Die Vermietung durch eine Wohnungsgesellschaft gilt nicht als ➤ Massengeschäft. Deshalb ist hier nur die Diskriminierung nach Rasse und ethnischer Herkunft verboten. Solche Gesellschaften können bei der Auswahl ihrer Mieter aber dennoch auf eine ausgewogene und „sozial stabile“ Bewohnerstruktur achten. Im Klartext heißt das: Um ein Türken-Ghetto zu vermeiden, darf ein Wohnungsinteressent auch deshalb abgelehnt werden, weil er Türke ist.

Zwangsgeld: Deutschland hätte die ersten ➤ EU-Vorgaben eigentlich bereits im Sommer 2003 umsetzen müssen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat deshalb im Oktober 2004 festgestellt, dass die Bundesrepublik die EU-Verträge verletzt hat. In einem zweiten Verfahren hat die EU-Kommission anschließend beim EuGH Zwangsgelder in Höhe von bis zu 900.000 Euro pro Tag beantragt. Diese werden fällig, wenn es Deutschland nicht gelingt, das ➤ AGG vor einem zweiten EuGH-Urteil in Kraft treten zu lassen.