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Archiv-Artikel

Pestizide in den Fjorden

LACHSFARMEN Lachszucht zerstört Ökosysteme

„Überall liegt ein Geruch wie von Bleichmitteln in der Luft“

GÖTTINGEN taz | Lachsfarmen in Südchile bedrohen die Tierwelt nach Angaben Göttinger Wissenschaftler in einem bislang völlig unbekannten Ausmaß. In den Schutznetzen um die Farmen verfangen sich viele junge Seelöwen, berichtete die Biologin Heike Vester vom Max-Planck-Institut (MPI) für Dynamik und Selbstorganisation. Selbst wenn die Seelöwen freikämen – oft bleibe ein Teil des Netzes zurück, an dem sie im Verlauf ihres Wachstums erstickten.

Die Lachsfarmen belasten das Ökosystem auch auf andere Weise, erklärte Vester. Überschüssiges Futter für die Zuchtfische und Kot treiben in großen Mengen im Wasser, die gedrängte Haltung erzwinge den Einsatz von Medikamenten und Pestiziden. Messungen belegten, dass in der unmittelbaren Umgebung der Farmen keinerlei Leben mehr existiert: „Überall liegt ein Geruch wie von Bleichmitteln in der Luft.“ Der Bootsverkehr mit Versorgungsschiffen und die Generatoren der Futtermaschinen führen zudem zu einem ständigen Lärmpegel, ergänzte Professor Marc Timme vom MPI. „Dieser Lärm kann die bedrohten Meeressäuger wie etwa Blau- oder Seiwale sowie Peale-Delfine und Chilenische Delfine vertreiben und ihre Kommunikation in den verzweigten Fjorden und Kanälen stören.“ Mit einem Exportvolumen von mehr als 2 Milliarden US-Dollar ist Chile weltweit einer der wichtigsten Produzenten von Zuchtlachs. Die Aquakultur konzentriert sich vor allem auf die verzweigten Fjorde der Provinz Aysén in Patagonien. Während Teile der Provinz den Status eines Nationalparks haben, gilt dieser Schutz nicht für das angrenzende Meer.

In den vergangenen zwei Jahren hatte ein bei Lachsen zu Blutarmut und Tod führender Virus viele Betreiber von Fischfarmen im Norden Chiles zum Aufgeben gezwungen. Auf den stillgelegten Farmen wurden die kranken Fische „offenbar nicht entsorgt, sondern zum Teil einfach in Plastikbeuteln versenkt“, sagte Vester. Der Virus habe so in das Ökosystem eindringen können. Die gesamten Auswirkungen auf Flora und Fauna seien noch nicht abschätzbar. REIMAR PAUL