Jetzt sagt es schon Georg Klein

SCHÖNE WÖRTER Eine sehr kurze Kurzgeschichte, kurz vor Klagenfurt

Starker türkischer Kaffee, süß und fast zähflüssig, von meiner Großmutter Kaffö genannt, das ö der ersten Silbe beinahe hinterhergerülpst, erinnert mich an die glücklicheren Tage meiner Kindheit. Kaum hatte meine Großmutter die Küche verlassen, nahm ich einen Schluck des köstlichen Gesöffs.

Wann immer ich in den letzten Jahren beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt im Publikum saß, lasen dort junge Menschen, die ich glühend um ihre teflonartige Eleganz beneidete, quasi mit abgespreiztem Zeigefinger formal aufregende Texte, deren Personal in Cafés saß und Kaffée, auf der zweiten Silbe betont, trank. Nun ist die Betonung auf der zweiten Silbe nicht etwa falsch, sie wurde nur bislang weitaus seltener gebraucht. Und ich stelle mir vor, dass die jungen Autorinnen und Autoren – die niemals, wie das vor ein paar Jahren noch gang und gäbe war, in ihre Vita schreiben würden, sie hätten als Nachtwächter, im Bergbau und als Leichenwäscher gearbeitet – ihre sämtlichen Sommer in Mailand oder Paris verbringen, und, Weltbürger, die sie sind, Café und Caffè im Mund hin und her bewegen und andere schöne Wörter, von denen ich, hier geblieben, mir gar keine Vorstellung mache.

Kürzlich hat allerdings Georg Klein aus dem „Roman unserer Kindheit“ vorgelesen und hat eine stinknormale Frau aus einem schrammeligen Glas ein Instantzeug trinken lassen, das Klein Kaffée nannte, und da dachte ich: Ich, Enkelin einer Stahlarbeiterin, mit einer Schwäche für schöne Wörter, könnte mich jetzt mal abregen. Es klingt ja auch wirklich besser. SUSANN REHLEIN

Die Autorin, geboren 1971, lebt als Lektorin und Autorin in Berlin. – Der diesjährige Bachmannwettbewerb in Klagenfurt findet in der kommenden Woche statt, vom 24. bis 27. Juni. Georg Klein ist nicht dabei, er gewann den „Bewerb“ bereits im Jahr 2000. Dafür lesen dieses Jahr u. a. Volker H. Altwasser, Christian Fries, Sabrina Janesch, Christopher Kloeble, Daniel Mezger, Verena Rossbacher, Aleks Scholz, Peter Wawerzinek und Judith Zander. Der Fernsehsender 3sat überträgt wieder live.