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Archiv-Artikel

Energiekämpfer ohne Schlaf

VERBÄNDE Der einstige taz- und „Spiegel“-Redakteur Gerd Rosenkranz zieht sich aus der Arbeit der Deutschen Umwelthilfe zurück. Damit verliert die Ökologenszene einen wichtigen Mann

BERLIN taz | Am Atomausstieg in Deutschland haben viele ein Verdienst, Gerd Rosenkranz allemal. Er ist schlau. Er ist ein politischer Kopf, und er ist engagiert. Jetzt hatte er seinen vorerst letzten Auftritt.

Bei der Vorstellung des Jahresberichts der Deutschen Umwelthilfe, DUH, zog Rosenkranz am Freitag als Sprecher und Leiter des Bereichs Politik mit den Kollegen eine Bilanz des Wahljahres. Er kritisierte die „größte Koalition mit dem kleinsten Umweltprogramm“ – und ging. Damit fehlt der Umweltbewegung künftig ein wichtiger Mann.

Rosenkranz, 63 Jahre, weiß wie kaum ein anderer, wie das mediale Politgeschäft läuft, die Meinungsmache. Er saß mittendrin in der Maschinerie: in einem repräsentativen Altbau am Hackeschen Markt in Berlin-Mitte. Das Protzige passt eigentlich nicht zu ihm. Er ist kein Selbstdarsteller, eher zurückhaltend. Seine Rolle als einer der ausdauerndsten Kämpfer für die Energiewende erklärt sich nicht auf Anhieb.

Es war ein Coup, als der Ökoverband DUH Rosenkranz im Jahr 2004 für sich gewinnen konnte. Er schrieb bis dahin als Journalist über Ökologie, Wissenschaft und Innere Sicherheit. Zuerst bei der taz – über die Bagatellisierer von Tschernobyl, über Reaktorsicherheit, über die Bewältigung der RAF-Vergangenheit. Dann ging er für fünf Jahre zum Nachrichtenmagazin Spiegel. Dort galt er als harter Rechercheur, der sich an Themen festbeißen konnte wie kaum einer sonst. Rosenkranz füllt auch eine ganze Zeitungsseite mit einer Geschichte über eine defekte Schraubenmutter.

Doch dann kippte der damalige Chefredakteur Stefan Aust eine Geschichte von Rosenkranz und dessen Kollegen Harald Schumann über Windräder aus dem Blatt. Ersetzt wurde sie durch eine Tirade gegen den „Windwahn“ – eine Story, die direkt vor Austs Haustür im norddeutschen Stade spielte, was aber nicht erwähnt wurde. Der promovierte Metallkundler Rosenkranz hatte genug von der Medienwelt. Er heimste noch den Kisch-Preis ein, dann wechselte er zur DUH.

„Der ist einfach konsequent!“, sagt Volker Heck. Heck leitet die Kommunikation des Atomstromkonzerns RWE, kennt Rosenkranz ewig und begegnet ihm mit Respekt: „Der kämpft für sich und seine Sache.“

Er erinnert sich an einen Abend im Berliner Lokal Lutter & Wegner, wo sie Heinz-Erhardt-Sprüche zitierten. Ex-Umweltminister Klaus Töpfer war da, ein Liebling von Rosenkranz, aber auch der Publizist Manfred Bissinger, der schon mal die Rückkehr des Atomstroms forderte. Rosenkranz redet mit jedem. Uneitel. Offen. Klar.

Und er arbeitet gerne 14 Stunden, manchmal auch 16. Kannenweise Schwarztee hält die Neuronen im Fluss.

Rosenkranz hat einen großen Anteil daran, dass die DUH, die ihren Sitz eigentlich in Radolfzell am Bodensee hat, bundesweit bekannt wurde: Sie skandalisierte die PS-fixierte Modellpolitik der Automobilkonzerne und die staubige Luft in den Städten, sie profilierte sich aber vor allem als Vordenkerin für den Umbau des Energiesystems. Sie gründete das Umweltmagazin zeo2 – das inzwischen im taz-Verlag erscheint –, um auch publizistisch mitzumischen. Und Rosenkranz spuckte in atemberaubendem Tempo Pressemitteilungen aus. Sein Credo: Wir sind keine Lobbyisten, wir sind die Guten.

Jetzt geht er nach großen Verwerfungen innerhalb des Verbandes. Aber er wird wiederkommen. Es gibt noch was zu tun. Wer Rosenkranz künftig einstellt, der sollte um, sagen wir, 2.30 Uhr nachts per Zeitschaltuhr einfach den Strom abstellen. Damit Rosenkranz auch mal ins Bett kommt. HANNA GERSMANN

MANFRED KRIENER