Tagebau Garzweiler II geht in Betrieb

Nach 20 Jahren Streit rollen jetzt die Bagger im Braunkohlegebiet – und 7.600 Menschen müssen umsiedeln

KÖLN taz ■ Der Kampf ist vorbei: Rund 20 Jahre nach dem ersten Antrag hat RWE an diesem Wochenende im Braunkohletagebau Garzweiler II mit dem Baggern begonnen. „Wir haben so lange gegen das Projekt gekämpft“, sagte Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der Grünen, resigniert. Er sei überzeugt, dass das Projekt falsch sei und keine Jobs schaffe. Umweltschützer, Kirchen und Kommunen hatten vergeblich gegen das Vorhaben geklagt.

Matthias Hartung, Vorstandsmitglied von RWE Power, hält es indes nach wie vor für „richtig“. Denn die heimische Braunkohle sei umso wichtiger, je stärker die Preise für Energierohstoffe wie Öl stiegen. So will RWE aus dem 48 Quadratkilometer großen Gebiet 40 Jahre lang jedes Jahr bis zu 40 Millionen Tonnen Kohle fördern. Sie sollen verfeuert werden und 20 Prozent des Strombedarfes von Nordrhein-Westfalen decken.

Dafür müssen 7.600 Menschen zwangsweise umsiedeln. 13 Ortschaften und 12 überwiegend landwirtschaftliche Einzelanwesen werden abgebaggert. Die Stadt Erkelenz verliert ein Drittel des Stadtgebietes. Garzweiler II liegt zwischen Aachen, Köln und Mönchengladbach direkt im Anschluss an den erschöpften Tagebau Garzweiler I.

Um die Braunkohle in 200 Meter Tiefe fördern zu können, muss der Grundwasserspiegel abgesenkt werden. Umweltschützer befürchten starke Schäden für den Naturpark Maas-Schwalm-Nette an der deutsch-niederländischen Grenze.

Der Tagebau ist ein von Osten nach Westen wanderndes Loch. Am westlichen Ende brechen die riesigen Schaufelradbagger den Boden auf. Auf eine Schaufel Kohle kommen dabei fünf Schaufeln Erde. Die Kohle wird in die nahe gelegenen Kraftwerke gefahren. Die Erde wird an den östlichen Rand des Tagebaus transportiert, wo Äcker und Wälder entstehen. Im Jahr 2045 wird am westlichen Ende von Garzweiler II ein riesiges Loch übrig bleiben, das dann über eine Pipeline mit Wasser aus dem Rhein gefüllt wird – RWE verspricht eine „lebendigen Seenlandschaft“.

Schon im August 1987 hatte die damalige Rheinbraun AG Garzweiler II beantragt. Das Projekt war von Beginn an umstritten und brachte auch die 1995 gegründete rot-grüne Koalition in NRW ins Wanken. Das Genehmigungsverfahren zog sich hin. Eine Auseinandersetzung gibt es auch jetzt noch: Der Umweltverband BUND klagt gegen die Enteignung seines Wiesengrundstücks mit 90 Obstbäumen im Abbaugebiet. Am 6. Juni wies das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Klage zwar ab, der BUND kündigte aber die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster an.

Im Laufe des Zwangsenteignungsverfahrens hatte der BUND Gutachten vorgelegt, die belegen sollen, dass der Tagebau problemlos durch umweltverträglichere Formen der Energiegewinnung ersetzt werden kann. Doch die Chancen auf juristischen Erfolg schätzen Experten als gering ein. SEBASTIAN HEISER