Aufforderung zum Protest
: KOMMENTAR VON ANNA LEHMANN

Kurz vor den Semesterferien sind die meisten Studierenden schon dabei, sich vom Campus zu verabschieden. Wenn dann in mehreren Bundesländern der Rückmeldung eine Zahlungsaufforderung über 500 Euro beiliegen wird, bleibt dort nur noch eine Hand voll Aktivisten übrig, die vergeblich versucht, die Proteste zu organisieren.

Doch Studiengebühren sind keine Naturgesetze, sie sind weder unvermeidlich noch unumkehrbar. Die Proteste könnten auch im Herbst noch zum Erfolg führen. Doch müssen die Studierenden dazu erst noch die Öffentlichkeit für sich gewinnen.

Das Beispiel Frankreich macht ihnen Mut: Wenn es dort gelang, die Regierung dazu zu bewegen, eine ungeliebte Arbeitsmarktreform rückgängig zu machen, dann sollte es hierzulande doch möglich sein, ein paar unionsregierte Landesregierungen zu zwingen, bereits beschlossenen Studiengebühren wieder zurückzunehmen. Doch die Protestler in Frankreich hatten mächtige Verbündete: Die meisten Franzosen waren auf der Seite der Studierenden. Und diese konnten andere mitreißen, denn alle waren Opfer des gelockerten Kündigungsschutzes.

Studiengebühren sind schwieriger. Denn es ist Sache einzelner Landesregierungen oder Universitäten, diese Gebühren zu erlassen. Außerdem sind längst nicht alle vom Unsinn der Gebühren überzeugt. Die Aktivisten müssen also auf die Suche nach Verbündeten gehen. Und sie müssen deutlich machen, dass Studiengebühren nicht das gepriesene Allheilmittel sind: also nicht abstrakt gegen die „Privatisierung von Bildung“ wettern, sondern praktische Argumente liefern.

Davon, dass sich Studiengebühren nicht automatisch auf dem Arbeitsmarkt amortisieren, zeugen die vielen schlecht bezahlten Praktikanten mit Hochschulabschluss. Und die 10 Milliarden Euro, die an deutschen Hochschulen akut fehlen, lassen sich mit Studiengebühren allein ohnehin nicht zusammenkratzen. Die Landesregierungen müssten also investieren, statt nur bei den Studenten zu kassieren. Wenn die Studierenden diese Argumente bis zur nächsten Landtagswahl der Öffentlichkeit vermitteln können, dann haben sie gute Chancen, die Gebühren noch abzuwenden.