Insektengifte gefährden Föten und Kleinkinder

AGRAR EU-Lebensmittelbehörde Efsa warnt vor weit verbreiteten Pestiziden – und fordert ihre Prüfung

BayerCropScience zeigte sich über die Empfehlung der Efsa „erstaunt“

BERLIN taz | Erneut sind zwei weit verbreitete Insektengifte aus der Gruppe der Neonikotinoide in den Verdacht gefährlicher Nebenwirkungen geraten. Die Europäische Lebensmittelbehörde Efsa verdächtigt die beiden Mittel Acetamiprid und Imidacloprid, das Nervensystem von Föten und Kleinkindern zu schädigen. Die Behörde habe die zugängliche wissenschaftliche Literatur neu gesichtet, heißt es.

Zudem verweist die Efsa auf eine japanische Studie. Danach treten die beiden Stoffe in Wechselwirkung mit Rezeptoren im Gehirn und beeinträchtigen dabei das Lern- und Erinnerungsvermögen. Die Efsa betont, sie sei sich der eingeschränkten Aussagekraft der Studien bewusst, deshalb müsse es neue Untersuchungen geben. Bis aussagekräftigere Daten zur Verfügung stünden, sollten die zulässigen Grenzwerte für die beiden Mittel gesenkt werden.

BayerCropScience zeigte sich über die Empfehlung „erstaunt“. Man sei von der Sicherheit des Wirkstoffes überzeugt, „sonst wäre er nicht zugelassen worden“, heißt es aus der Pressestelle des Konzerns. Acetamiprid wird als Stäbchen, Spray oder Granulat vor allem in Topfpflanzen gegen Läuse oder die Weiße Fliege eingesetzt. Das Mittel ist aber auch für die Behandlung von Gurken, Tomaten und Salaten zugelassen.

Imidacloprid wird von BayerCropScience hergestellt. Der deutsche Chemiekonzern betonte, Imidacloprid sei eines der wichtigsten Insektizide des Unternehmens. Das Internetlexikon Wikipedia nennt ohne Quelle einen Jahresumsatz von 500 bis 600 Millionen Euro und einen Absatz in Deutschland von 25 bis 100 Tonnen. Über 1.000 Tonnen würden exportiert.

Aufnahme über die Wurzel

Imidaclprid wird von den Wurzeln der Pflanze aufgenommen und erreicht über die Blätter das Nervensystem von Kartoffelkäfern, Läusen oder Drahtwürmern. Das Mittel wirkt dauerhaft, weil es von der Pflanze nur langsam abgebaut wird.

Imker machen Neonikotinoide seit Langem für das weltweite Sterben von Bienenvölkern verantwortlich. Weil eine Harvard-Studie nachwies, dass das für das Leben eines Volkes wichtige Erinnerungs- und Lernvermögen von Bienen durch die Pflanzengifte beeinträchtigt wird, erließ die EU Anfang Dezember ein weitgehendes Verbot für die Anwendung im Freien. Die Gifte Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam dürfen vorerst zwei Jahre lang nicht mehr verwendet werden, um Mais, Raps, Baumwolle und Sonnenblumen im Freiland zu behandeln. Umweltverbände hatten das Verbot als nicht strikt genug kritisiert.

HEIKE HOLDINGHAUSEN