: Ja, wir mussten zahlen
EUROKRISE War es richtig, die irischen Banken auf Kosten der europäischen Steuerzahler zu retten? Moralisch gesehen nicht – politisch leider schon
VON ULRIKE HERRMANN
Wohin sind die Rettungsgelder verschwunden? Dieses Rätsel der Eurokrise ist noch immer nicht gelöst. Attac Österreich hat sich nun bemüht, zumindest für Irland nachzuzeichnen, was aus den Hilfskrediten geworden ist.
Fest steht: Der irische Staat hat inzwischen 89,5 Milliarden Euro aufgewandt, um seine Pleitebanken zu retten. Davon kamen 67,5 Milliarden Euro aus dem Ausland – vor allem vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und aus den Rettungsschirmen der Eurostaaten. Den Rest haben die Iren selbst beigesteuert, indem sie unter anderem ihre staatliche Pensionskasse plünderten.
Aber wer hat von diesen Geldern profitiert? Diese Frage kann auch Attac Österreich nicht wirklich klären, was nicht die Schuld der Aktivisten ist. Denn die europäischen Rettungsaktionen sind von extremer Geheimhaltung umwoben.
Dennoch ist das Attac-Papier interessant, weil es die zu Irland verfügbaren Erkenntnisse bündelt – und auch Fragen aufwirft, die nicht immer ins gängige Freund-Feind-Schema passen.
So wird indirekt deutlich: Ein Hauptprofiteur der Rettungskredite war ausgerechnet die Europäische Zentralbank (EZB), denn sie war die größte Gläubigerin der irischen Pleitebanken, als das Hilfspaket Ende 2010 beschlossen wurde. Dies zeigt eine Studie des Dubliner Ökonomen Karl Whelan, die Attac zitiert.
Die irische Krise lässt sich in drei Kapiteln erzählen. Die erste Phase währte von 1996 bis 2007. In dieser Zeit nahmen die irischen Banken hemmungslos Kredite im Ausland auf und entfachten einen Bauboom, der sogar die Immobilienblase in den USA weit übertraf: Pro Kopf bauten die Iren viermal so viele Häuser wie die Amerikaner – und die Immobilienpreise vervierfachten sich in nur einem Jahrzehnt.
Die zweite Phase begann Mitte 2008: Die Finanzkrise in den USA führte zu einer weltweiten Wirtschaftskrise, die auch Irland erfasste. Die Hauspreise sanken, die Bauindustrie brach zusammen, und die Zahl der Arbeitslosen stieg. Die Lage war so desolat, dass die ausländischen Banken nicht mehr bereit waren, den irischen Instituten weiter Geld zu leihen. Auslaufende Kredite wurden nicht verlängert, sondern die ausländischen Banken verlangten die Summen zurück.
Das nötige Geld liehen sich die irischen Banken zuerst bei der Europäischen Zentralbank und später bei der irischen Notenbank, die ebenfalls zum EZB-System gehört. Um es kurz machen: Von Mitte 2008 bis Oktober 2010 borgten sich die irischen Pleitebanken insgesamt 109 Milliarden Euro bei der EZB und der irischen Notenbank – während ausländische Gläubiger etwa 50 Milliarden Euro aus Irland abzogen.
Die dritte Phase setzte im November 2010 ein, als das europäische Rettungspaket für Irland beschlossen wurde. Davon profitierte auch das EZB-System, das 16,9 Milliarden Euro erhielt. Trotzdem sind die Notenbanken noch immer die größten Gläubiger in Irland – während sich ausländische Banken und Fonds inzwischen fast ganz zurückziehen konnten.
Die Rettungsgeschichte Irlands hinterlässt eine Frage, die kontrovers diskutiert wird: War es richtig, die irischen Banken zu retten, indem die Steuerzahler und das EZB-System sämtliche Kosten übernahmen? Nur ein Beispiel: Man hätte die Besitzer von ungesicherten Bankanleihen heranziehen können, was 16 Milliarden Euro gespart hätte.
Attac positioniert sich kämpferisch: „Gut ist lediglich die Lage der europäischen Finanzeliten. Gerettet wurde das Who’s Who des Bankensystems, nicht die Menschen in Irland.“ Stimmt. Aber Moral allein reicht nicht.
Dies zeigt Zypern. Dort wurde ausprobiert, was sich Attac offenbar als Idealfall vorstellt: In diesem März mussten alle Bankkunden haften, die mehr als 100.000 Euro besaßen. Das sparte zwar ein paar Milliarden an Rettungskosten, trotzdem ist das Ergebnis unerfreulich. Zypern gehört faktisch nicht mehr zur Eurozone, sondern wird durch rigide Kapitalkontrollen abgeschottet, damit nicht das gesamte Geld flieht. Ein Ende dieser Zwangsmaßnahmen ist nicht in Sicht.
Zypern führt vor, wie extrem riskant es ist, die Gläubiger von Pleitebanken heranzuziehen. Daher sollte sich die Debatte verlagern: Wie kann verhindert werden, dass Banken überhaupt in Konkurs steuern? Es wäre schön, wenn Attac dazu Vorschläge präsentieren würde, die gut durchdacht sind.