WEIN 3: GEGEN PANSCHER HELFEN INTERESSE, GAUMEN UND ETWAS GELD
: Lob des Fachhandels

Jetzt jammern sie wieder. Über die Weinpanscher in Übersee, die unsere Weinregale mit ihren Frankensteinsäften fluten. Mit Tanninpülverchen, künstlichen Aromen, Sägespänen und Genhefen getunt, mit dem Konzentrateur eingedickt, mit diabolischem Grinsen auf unseren Markt geworfen. Es ist eine verlogene Empörung, und es sind Marketingtränen, die in die Weinfässer kullern. In Wirklichkeit liegen die Weinpraktiken in Europa und Übersee gar nicht so weit auseinander.

Kaum war der erste Empörungsschub über das Weinhandelsabkommen zwischen EU und USA ein wenig abgeflaut, haben die Europäer auf Betreiben von Italien die Erlaubnis erhalten, künftig ebenfalls Sägespäne zur Weinbereitung einzusetzen, um den Konsumenten ein edles Holzfass-Aroma vorzugaukeln. Und schon in den Jahren davor wurden auch bei uns die Verfahren der Umkehrosmose und Vakuumverdampfung zugelassen, die seitdem auch an Rhein, Main und Mosel zum Einsatz kommen und die Weine künstlich verdicken. Hat da irgendwer über Kunstwein gezetert?

Wenn es Weinbaufunktionären und Winzern wirklich um die Sache ginge, dann sollten sie auf Änderungen im Kennzeichnungsrecht drängen. Der Einsatz von so genannten Eichenchips – den Sägespänen – sollte ebenso in eindeutiger Weise auf dem Etikett deklariert werden wie Umkehrosmose und andere Manipulationen. Solche Transparenz sucht man vergebens. Außerdem könnten jene Winzer unterstützt werden, die ein Reinheitsgebot für ihre Weine freiwillig umsetzen. Die bekommen stattdessen wütende Anrufe von ihren Kollegen: Sie würden die „normale“ Weinbereitung diskreditieren, heißt es dann.

Und der ganz normale Weintrinker? Er kann industrielle Massenware kaufen, er kann aber auch zum Weinhändler seines Vertrauens gehen, nach handwerklich produzierenden Betrieben mit Naturweinkonzept fragen und sich mit authentischen Weinen versorgen, die Charakter und Individualität besitzen. Einzige Voraussetzung: ein wenig Interesse, ein selbstbewusster Gaumen und ein paar Euro in der Tasche. MANFRED KRIENER