piwik no script img

Archiv-Artikel

„Finanzinvestoren können auch Druck ausüben“

ÖL Es gibt keinen „guten“ Ölkonzern, sagt Analystin Kristina Rüter, aber es gibt bessere und schlechtere

Kristina Rüter

■  34, ist Research Director bei oekom research für die Öl- und Gasbranche. Die Ratingagentur bewertet Unternehmen nach Nachhaltigkeitskritierien.

taz: Frau Rüter, Sie haben Öl- und Gaskonzerne nach sozialen und ökologischen Kriterien bewertet. Gibt es wirklich einen guten Ölkonzern?

Kristina Rüter: Natürlich sehen wir die ganze Branche kritisch. Aber wir können schon differenzieren. Der österreichische Konzern OMV hat mit der Gesamtnote B den ersten Platz belegt, auf einer Skala von A+ bis D-. OMV hat bei den Mitarbeiterstandards, dem Umgang mit Menschenrechten, dem Umweltmanagement und dem energieeffizienten Raffineriebetrieb gute Noten. Positiv haben wir gewertet, dass der Konzern Nachhaltigkeitskriterien für die Produktion und den Zukauf von Biokraftstoffen zugrunde legt, keine Parteispenden tätigt und nicht in schwere Umwelt- oder Menschenrechtsverletzungen verwickelt ist. BP und Shell sind im Mittelfeld gelandet; der Unfall mit der Deepwater Horizon hat zu einer Abwertung geführt, auch die Aktivitäten von Shell in Nigeria sehen wir sehr kritisch. Auf den hinteren Plätzen liegen die russischen Unternehmen Rosneft und Lukoil. Deren schlechtes Abschneiden ist grundsätzlich auf einen geringeren Transparenzgrad und zum Teil auch auf mangelhafte Umweltstandards zurückzuführen.

Welche Themen haben Sie abgefragt?

Wir haben 27 Unternehmen nach rund 100 Kriterien untersucht. Das Hauptproblem der Öl- und Gasbranche ist sicher das umwelt- und klimaschädliche Produkt, das sie herstellt. Aber wir haben im Umweltteil des Ratings auch bewertet, wie effizient der Raffineriebetrieb ist, wie sauber der Kraftstoff oder wie Erdöl und Gas gefördert werden. Hat sich das Unternehmen CO2-Minderungsziele gesetzt? Fördert es auch in Schutzgebieten oder extremer Meerestiefe? Wird das Gas, das bei der Ölförderung entsteht, genutzt oder einfach abgefackelt? Wir gewichten das stark, denn auf die Förderbedingungen können die Unternehmen großen Einfluss nehmen.

Wer fördert besonders verantwortungslos?

Im Untersuchungsfeld Exploration und Förderung kommen neben den zwei russischen Unternehmen Rosneft und Lukoil auch die amerikanischen Konzerne Occidental Petroleum und Chevron nicht über ein D+ hinaus. Umweltverstöße bei der Ölförderung gibt es bei vielen weiteren Unternehmen, unter anderem auch bei BP, Repsol, Shell, Eni und ExxonMobil.

Gehen die Unternehmen gezielt in Regionen mit niedrigen Standards?

Nein, das können sie nicht, dafür sind die Ressourcen schon zu knapp. Die Konzerne gehen dorthin, wo es Öl gibt. Natürlich richten sie sich aber dann nach den örtlichen Standards – in der Nordsee verhalten sie sich anders als im Golf von Mexiko.

Ein Boykott von Unternehmen ist also nicht so wirkungsvoll wie strengere Gesetze?

Da stimme ich zu. Investoren können aber auch Druck ausüben: Wir geben unsere Analysen an die Finanzmärkte, damit die Finanzinvestoren informierte Entscheidungen treffen können – beispielsweise besonders schlechte Unternehmen von einem Investment ausschließen.

Wie könnte die Branche nachhaltiger werden?

Sie müsste sich von den fossilen Rohstoffen verabschieden. Aber selbst Unternehmen, die sich angeblich stark im Bereich der erneuerbaren Energien engagieren, liegen bei den Investitionen bei unter einem Prozent ihrer Gesamtinvestitionen. Da gibt es kaum Fortschritte.

INTERVIEW: HEIKE HOLDINGHAUSEN