: Schüler bohren weiter Nase
Aus dem groß angekündigten Regierungsprogramm gegen den Unterrichtsausfall ist nicht viel geworden: Die zusätzlichen Lehrerstellen gleichen vor allem höhere Schülerzahlen aus
VON VOLKER ECKERT
Laut war das Wahlkampfgetöse, das die CDU im vergangenen Jahr um 5 Millionen ausgefallene Schulstunden machte. Jetzt, wo das erste Schuljahr unter Schwarz-Gelb vorüber ist, gibt sich die Landesregierung kleinlaut: „Schwer zu sagen“, ob schon Verbesserungen erzielt worden seien, heißt es aus der Pressestelle des Schulministeriums auf taz-Anfrage. Manche Schulleiter werden deutlicher: „Die Schüler haben bisher noch nicht profitiert“, sagt etwa Reinhold Koullen, Direktor der David-Hansemann-Realschule in Aachen.
Ein großer Teil der Verantwortung für das Projekt weniger Unterrichtsausfall bleibt offenbar bei den Schulen hängen. Sie spüren den Druck von oben die Zahlen zu drücken. Koullen spricht von „erzwungenen Maßnahmen“. Da kommt es vor, dass eine Lehrerin an einer Düsseldorfer Schule in zwei Tagen drei Vertretungsstunden gibt – zusätzlich zum eigenen Pensum. Allerdings wäre es auch nicht das erste Mal, dass es bis Ende des Monats bei den drei Stunden bleibt: Denn erst ab der vierten werden die Überstunden bezahlt. „Die Belastung ist grenzwertig“ sagt auch Heinz Gnioscko, Schulleiter der Hulda-Pankok-Gesamtschule in Düsseldorf-Bilk. Und die Lastenverteilung empfindet er wie viele Kollegen als einseitig. Das Ganze sei „sehr, sehr überhastet angegangen worden, denn es ging ja um die Wirkung in der Öffentlichkeit.“
Und wie hoch ist der Nutzen für die Schüler? Im Idealfall springt bei Krankheit der Klassenlehrer ein – oder ein entsprechender Fachlehrer. Die Realität sieht oft anders aus: Steht gar kein Kollege zur Verfügung, wird an manchen Schulen in der Oberstufe „Eigenverantwortliches Arbeiten“ angesetzt, kurz EVA genannt. Ein Lehrer kommt zu Stundenbeginn in die Klasse, gibt einen Arbeitsauftrag und geht wieder zu seinen eigenen Schülern. Die Stunde zählt dann nicht als ausgefallen. Michael Schulte, Geschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW, spricht deshalb von einer „Mogelpackung“.
Was hat die Landesregierung getan? Schulministerin Barbara Sommer (CDU) hatte zu Beginn des vergangenen Schuljahrs verkündet, es seien knapp 1.000 zusätzliche Stellen gegen Unterrichtsausfall geschaffen worden. Davon sind laut Schulleiter Norbert Münnix auch mehrere in seinem Marie-Curie-Gymnasium in Düsseldorf-Gerresheim angekommen. Allerdings hat er auch mehr Schüler als im Vorjahr. Trotzdem stellt Münnix fest, seit August seien deutlich weniger Stunden ausgefallen. Das bestätigt auch die Vorsitzende der Landeselternschaft der Gymnasien NRW. Sie bekomme inzwischen viel weniger Beschwerden von Eltern (siehe unten).
Die GEW kommt laut Schulte dagegen auf andere Zahlen als die Landesregierung. Der GEW-Geschäftsführer lobt zwar, dass Löcher nicht mehr wie früher mit befristeten Stellen gestopft werden. „Die neuen Stellen mussten aber zu einem großen Teil schon wegen der gestiegenen Schülerzahlen und dem Projekt Ganztagsschule geschaffen werden.“ Daher blieben am Ende „deutlich weniger“ als 1.000 übrig.
An der David-Hansemann-Realschule im Aachener Zentrum wartet Direktor Reinhold Koullen bislang vergeblich auf neue Kollegen – an den benachbarten Schulen sei das nicht anders. Aber obwohl auch hier inzwischen weniger Stunden ausfallen, sieht Koullen keinen Nutzen für die Schüler: „Was bringt es denen, wenn eine Mathestunde von einem Sportlehrer vertreten wird?“ Da mache Schwarz-Gelb denselben Fehler wie vorher Rot-Grün: nur zu schauen ob unterrichtet werde, aber nicht wie und was.
Koullen hat in den USA ein besseres System beobachtet. Dort gibt es in jedem Schulbezirk einen Pool von Vertretungslehrern für alle Fächer, die im Krankheitsfall schnell einspringen können.