Schlechte Schulen kosten 7,5 Milliarden

Ein Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft bescheinigt, dass die „Bildungsarmut“ in Deutschland hohe Kosten verursacht. Die Autoren sprechen sich dafür aus, dass der Bund mehr Kompetenzen im Bildungswesen behält als geplant

AUS BERLIN SASCHA TEGTMEIER

Die deutsche Wirtschaft warnt vor einem enormen volkswirtschaftlichen Schaden durch die schlechte Bildung der Jugendlichen. Insgesamt 7,5 Milliarden Euro jährlich kosten die „Reparaturmaßnahmen“ nach dem Schul-Versagen, rechnete Hans-Peter Klös, Geschäftsführer des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), vor.

Ein Viertel der Schüler eines Jahrgangs sei nicht qualifiziert genug, um erfolgreich eine Berufsausbildung zu absolvieren, sagte Klös gestern bei der Vorstellung des IW-Gutachtens „Bildungsarmut und Humankapitalschwäche in Deutschland“. Diese Schülerinnen und Schüler werden in der IW-Studie als „bildungsarm“ bezeichnet. Und diese Armut verursacht erhebliche Kosten: Zum einen entstehen diese laut Klös innerhalb der Schule etwa durch das Wiederholen von Klassen. Zum anderen würden die Maßnahmen nach der Schulpflichtzeit, beispielsweise berufsvorbereitende Kurse, mit über 3 Milliarden Euro zu Buche schlagen.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, forderte als Konsequenz aus der Studie die Länder auf, nach der Föderalismusreform die Bildung zum „Thema Nummer eins“ zu machen und in Schulen und Hochschulen zu investieren. Klös vom IW sprach sich allerdings dafür aus, dass der Bund das Thema Bildung nicht gänzlich an die Länder abgeben dürfte. Es gäbe gute Gründe dafür, „bundeseinheitliche Mindeststandards“ einzuführen, so Klös.

Das 120 Seiten starke Gutachten des IW liest sich wie ein volkswirtschaftlicher Blick auf die Pisa-Studie. Aufgefallen ist den Autoren, dass die Ungleichheit der Bildungschancen ein wesentlicher Grund für die Bildungsprobleme in Deutschland ist. Als Konsequenz sprachen sich die Experten vor allem dafür aus, die frühkindliche Förderung zu verbessern. Zudem fordern sie verbindliche Standards für Kindergärten sowie eine bessere Ausbildung der ErzieherInnen. Auch der Ausbau der Ganztagsschulen könne die unterschiedlichen Startchancen von Kindern ausgleichen. Das dreigliedrige Schulsystem wollten die Vertreter der deutschen Wirtschaft jedoch keineswegs in Frage stellen. Es komme, so Klös, vielmehr auf die „Autonomie der Schulen“ an.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zeigte sich zwar erfreut, dass nach der OECD und dem UN-Menschenrechtsrat nun auch die Wirtschaft das Problem der Bildungsarmut erkannt hat. Notwendig sei jedoch auch ein längeres gemeinsames Lernen über die Grundschulzeit hinaus und das „Recht auf berufliche Ausbildung für jeden jungen Menschen, sagte GEW-Vize Marianne Demmer.

Ein besonders ärgerliches Ergebnis der Studie ist für die Wirtschaft, dass immer mehr Jugendliche die Ausbildung im dualen System abbrechen. In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil der Abbrecher von 16,3 Prozent auf 22,8 Prozent gestiegen. Allein 2004 hätten, so die Studie, 240.000 Jugendliche ihre Berufsschule ohne Abschluss verlassen.

Weitere bedrohliche Anzeichen nannte Wansleben: So habe sich die Anzahl junger Menschen, die sich wegen fehlender Abschlüsse oder Kompetenzen in berufsvorbereitenden Maßnahmen befänden, binnen zehn Jahren auf rund 160.000 verdoppelt. Nachfolgende Generationen seien nicht mehr durchweg besser qualifiziert als die aus dem Arbeitsprozess ausscheidenden. Der Anteil der Ungelernten stagniere auf zu hohem Niveau. Dagegen reiche der Anteil der neu auf den Arbeitsmarkt kommenden Akademiker in Zukunft nicht mehr aus, um auch nur die Zahl der aus dem Erwerbsleben ausscheidenden Akademiker auszugleichen.