Spielplätze (15)
: Öder Kick im passendem Ambiente

Alle gucken Fußball. Wir auch. Bis zum Ende der WM berichten wir täglich live von den Berliner Spielplätzen. Heute: Schweiz–Ukraine bei Karstadt am Hermannplatz.

Hallo, ist da wer? Auf vier Etagen gähnende Leere. Nur hier und da ein Bildschirm: In Köln betreten Ukrainer und Schweizer den Rasen. Als Oliver Bierhoff an das große Bierglas klopft, hallt das „Pling-pling-pling“ wie ein Menetekel durch den weiten Raum. Montagabend, kurz vor neun, Karstadt am Hermannplatz.

Irgendwas ist schief gelaufen bei der WM-Marketingstrategie des Kaufhauses. Gleich doppelt wollte man vom Großereignis profitieren: oben – in der „World Cup Arena“ unterm Dach – Kundennähe zelebrieren, unten bis 22 Uhr Kaufkraft abschöpfen. In beiden Fällen sieht es verdächtig nach einem Eigentor aus.

Zum Anpfiff verlieren sich auf der geräumigen Tribüne der „World Cup Arena“ ein gutes Dutzend Zuschauer, später werden es vielleicht 20 oder 30. Den Raum haben die Karstadt-Dekorateure mit grünem Kunststoffteppich und den Flaggen der Teilnehmerstaaten ausstaffiert. Die Übertragung läuft auf großer Leinwand, nur für einen HD-Beamer und Premiere hat es anscheinend nicht gereicht. Ob die jubelnden Massen, die im Karstadt-WM-Prospekt abgebildet sind, wegen der schlechten Bildqualität ausbleiben? Oder weil man sich in der klimatisierten Luft schon bald nach einer Trainingsjacke sehnt? Vielleicht ist einfach die Begegnung zweier Außenseiter ohne Exotik-Bonus zu unattraktiv. Und das Spiel ist ja wirklich grottenschlecht!

Unten, von der legendären Lebensmittelabteilung bis zur Spielwarenwelt, bewachen einsame Kassiererinnen ihre Kassen, die so gar nicht klingeln wollen in der täglichen Nachspielzeit von 20 bis 22 Uhr. „Ist doch jetzt schon völlig tot hier“, sagt eine, gefragt, ob die langen Öffnungszeiten nach dem 9. Juli bestehen bleiben sollten. „Wer soll denn kommen, wenn die WM vorbei ist?“ Sie wirkt etwas abwesend.

Eigentlich erstaunlich: Da könnte man seelenruhig die Warenwelt durchschlendern, sichten, prüfen, kaufen – und keiner kommt. Vielleicht eine Art negativer Herdentrieb: Wo niemand ist, geht niemand hin. Shopping ohne Publikum törnt ab.

Am Achtelfinalspiel kann es jedenfalls nicht liegen. Im vierten Stock ist es kurz vor der Halbzeitpause so öde wie das schweizerisch-ukrainische Gebolze auf dem Spielfeld. Kalte Schwaden vom Raucherbereich nebenan ziehen über leere Biertische, auf einem Wägelchen dörren „Chicken-Strips“ (5 Stück à 2,50 Euro) unter der Wärmelampe.

„Wir berichten live aus unserer WM-Arena im 4. Stock“, hallt es aus den Lautsprechern im Haus, „der aktuelle Spielstand beträgt 0:0.“ Die Fleischtheken im Untergeschoss sind schon blank geschrubbt, in der Herrenoberbekleidung zupft jemand Polohemden zurecht. Nichts wie weg hier. Die warme Luft im Freien trifft den Flüchtenden wie ein Schlag.

WM im Karstadt am Herrmannplatz. Alle Spiele auf Leinwand, Eintritt frei