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Archiv-Artikel

In Mexiko gewinnt zunächst niemand

Die vorläufigen Hochrechnungen sehen bei den mexikanischen Präsidentschaftskandidaten einen leichten Vorsprung für den Konservativen Felipe Calderón. Der hat sich, genau wie sein Gegenspieler López Obrador, bereits zum Sieger erklärt

AUS MEXIKO-STADT WOLF-DIETER VOGEL

Tage der Anspannung nach den Präsidentschaftswahlen in Mexiko: Keiner der beiden Favoriten konnte am Sonntag eine eindeutige Mehrheit für sich verbuchen. Da der Abstand zwischen den Kandidaten bislang so gering sei, müsse man nun auf das Ergebnis warten, bis alle Wahlkreise ausgezählt seien, informierte die Nationale Wahlbehörde (IFE) am Sonntagabend. Dies werde bis Mittwoch dauern, sagte der IFE-Sprecher Luis Carlos Ugalde. Er bat die beiden Kandidaten darum, bis dahin nicht von einem „Sieg“ zu reden.

Prompt erklärte sich der gemäßigt linke Anwärter Andrés Manuel López Obrador der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) wenige Minuten später zum Sieger. „Ich verfüge über Informationen von Schnellauszählungen, nach denen wir mindestens mit einer Mehrheit von 500.000 Stimmen gewonnen haben“, sagte der Hoffnungsträger vieler mexikanischer Linker. Kurz darauf ließ auch dessen Kontrahent Felipe Calderón von der konservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN) wissen, er habe gewonnen. Nach Angaben des IFE- Instituts Prep führte der PAN-Politiker nach Auszählung von 94 Prozent der Wahlurnen mit einem Prozentpunkt vor seinem Konkurrenten. Demnach kam Calderón auf 36,54, López Obrador auf 35,45 Prozent der Stimmen. Abgeschlagen auf Platz drei lag Roberto Madrazo (21,30 Prozent) von der Partei der Institutionellen Revolution (PRI), die bis ins Jahr 2000 über 71 Jahre lang das Land regiert hatte. Das mexikanische Wahlsystem sieht nur einen Wahlgang vor, in dem der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt.

„Diese Tage werden eine Feuerprobe für die mexikanische Demokratie“, befürchtet Alfonso Celestino, Mitarbeiter eines UNO-Projektes, das den geregelten Verlauf der Wahlen garantieren sollte. Auf dem Zócalo, dem Zentralplatz in Mexiko-Stadt, sammelten sich noch am Abend tausende von PRD-Anhängern und skandierten: „Nein zum Wahlbetrug!“ Eine EU-Beobachterkommission sprach allerdings von einem „normal verlaufenen Wahlprozess“.

Angesichts der Unsicherheit könnten die Spannungen zwischen Calderón- und López-Obrador-Anhängern trotzdem eskalieren. Es müsse verhindert werden, dass eine Situation der Unregierbarkeit entstehe, mahnte das UNO-Gremium.

IFE-Sprecher Ugalde lobte den „erfolgreichen Verlauf“ der Wahl und verwies auf die hohe Beteiligung. Knapp 60 Prozent der 71,3 Millionen Wahlberechtigten waren zu den Urnen gegangen. Neben dem Präsidenten wurde auch über andere Institutionen entschieden. Die PAN konnte drei Gouverneursposten in den Bundesstaaten Morelos, Guanajuato und Jalisco für sich verbuchen, während die PRD mit Marcelo Ebrard wie bislang den Bürgermeister von Mexiko-Stadt stellen wird. In der Wahl der Parlamentsabgeordneten führt nach Hochrechnungen die PAN mit 34 Prozent vor der PRD (30 Prozent) und der PRI (27 Prozent). Egal welcher Kandidat die Präsidentschaft gewinnt, er wird also gegen eine oppositionelle Mehrheit regieren müssen.

Sollte López Obrador das Rennen machen, hat er Sozialreformen zum Wohl der armen Bevölkerung versprochen. Calderón dagegen würde die konservative und wirtschaftsliberale Politik seines Parteifreundes und amtierenden Präsidenten Vicente Fox weiterführen. Bereits am Nachmittag demonstrierten etwa 6.000 Mitglieder der vom Zapatistischen Befreiungsheer EZLN initiierten „Anderen Kampagne“ in Mexiko-Stadt. Mit der Initiative von Basisorganisationen gebe es andere Möglichkeiten, Politik zu machen, als die Stimme abzugeben, erklärte der EZLN-Sprecher auf dem Zócalo.