Vor dem Wunder

15 Monate, 15 Orte: Auch die Schau zur Fußballregion Ruhrgebiet bestreitet am Sonntag das Finale

Vielleicht erzählen die Bilder und Tafeln aus Kamen die stärkste Geschichte von der Fußballregion Ruhrgebiet. Zu sehen ist die Sportschule Kaiserau. Es sind Schwarz-Weiß-Fotos, die noch vor dem Fußballwunder von 1954 geknipst wurden – doch an Orten wie diesen liegen die Grundlagen für den Titel von Bern. Die Spieler wurden weggesperrt, dann beschwor man Geister und in der Luft des „Unterrichts- und Gemeinschaftsraumes“ hing dazu Linoleum und Bohnerwachs. Weltmeister aus der Kaserne. Auch auf den „Teilansichten“ aus Küche und Schlafräumen setzt sich der Kickerknast zusammen. Kein Wunder: Sieben Jahre vor den Aufnahmen wurden hier noch Nachwuchsnazis ausgebildet, dann übernahm der Westfälische Fußballverband die Anlage.

Heute – 2006 – erinnert die Sportschule Kaiserau genauso wenig an die Ballsoldaten wie Klinsmanns Teambuilding an Sepp Herbergers Elf-Freunde-Sollt-Ihr-Sein. Die Schule schreibt sich jetzt schick KaiserAu, nennt sich SportCentrum und GmbH. Farbfotos zeigen ein multifunktionelles Auditorium. Bis zu ihrem Ausscheiden im Achtelfinale logierte hier – ganz im Osten des Reviers – die spanische Nationalmannschaft.

Nach bald 15 Monaten Rundreise durch 15 Orte endet in Dortmund die Ausstellung zur Fußballregion Ruhrgebiet. Am finalen Sonntag wird nicht nur in Berlin das Weltturnier abgepfiffen. Die von vielen Förderern, vom NRW-Sportministerium bis zum Landschaftsverband Westfalen, unterstützte Ausstellung haben sich 30.000 Besucher angesehen. Das besondere an der vom Essener Sporthistoriker Uwe Wick betreuten Schau der vielen Bild- und Texttafeln, erlesenen Filmdokumenten und ausgewählten Ausstellungsstücken: Sie wuchs noch auf ihrer Wanderung von Gelsenkirchen nach Dortmund. Vor allem Schulklassen haben die Ausstellung zum Anlass genommen, der lokalen Fußballgeschichte nachzuforschen, Sportplätzen, verschwundenen Mannschaften.

Erstaunlich akribisch, fast kleinkariert haben sie etwa in Bochum der Verbandsgeschichte der Deutschen Jugendkraft nachgespürt, in Gelsenkirchen den einst so ruhmreichen Emscher Husaren oder in Oberhausen den frühesten Fußballerinnen: Es war 1951, da ließen sie an der Gutehoffnungshütte den Ball laufen. Wiederum 1951. Es ging schon damals ohne Kasernen.CHRISTOPH SCHURIAN

Zeche Zollern, Dortmund, bis 9. Juli, Infos: 0231-6961111