Kompromiss im Ortstafelstreit

Bis 2009 müssen in Kärnten 50 weitere Schilder aufgestellt werden, die Orte in Deutsch und Slowenisch ausweisen. Grüne: Pakt unterläuft österreichischen Staatsvertrag

WIEN taz ■ Ganz geglückt war sie nicht, die Regie der ultimativen Lösung des Kärntner Ortstafelkonflikts. Da hatte Landeshauptmann Jörg Haider Mitte Juni noch an die Haushalte von 18 betroffenen Gemeinden Fragebögen verschickt, um sich zum wiederholten Mal als unermüdlicher Streiter gegen slowenische Ansprüche in Erinnerung zu bringen. Die Mehrheit jener Minderheit, die darauf antwortete, sprach sich von drei angebotenen Varianten für die Nulllösung aus: keine weiteren zweisprachigen Ortstafeln. Unmittelbar darauf musste Haider dann verkünden, dass nun doch in 50 weiteren Gemeinden bzw. Ortschaften auch die slowenischen Namen auf den Schildern stehen werden. Eine derartige Verordnung dieses Inhaltes wurde gestern in Wien beschlossen.

Der Einigung war ein zähes Ringen vorausgegangen. Die vom Verfassungsgerichtshof gesetzte Frist bis Ende Juni war fast verstrichen. Bundeskanzler Schüssel stand unter Zugzwang, die vom Höchstgericht eingeforderte Verfassungsmäßigkeit herzustellen. Der österreichische Staatsvertrag von 1955 regelt in Artikel 7 die Rechte der Minderheiten. Nicht präzisiert wird, ab welchem Bevölkerungsanteil zweisprachige Ortsschilder aufzustellen sind.

Das hat 2001 der Verfassungsgerichtshof nachgeholt. Zehn Prozent, die über längere Zeit in einem Ort leben, sollen ausreichen. Jörg Haider mobilisierte dagegen die deutschnationale Bevölkerung, die das Trauma des Abwehrkampfes gegen jugoslawische Gebietsansprüche nach dem Ersten Weltkrieg noch immer pflegt.

Die Verbände der slowenischen Minderheit wandten sich wiederholt an den Verfassungsgerichtshof. Sie erzwangen sein Einschreiten durch einen juristischen Trick: Schnellfahren durch das Ortsgebiet. Denn in Gemeinden, die eigentlich zweisprachig ausgeschildert sein müssten, gilt eine einsprachige Tafel als nicht ordnungsgemäß verlautbarte Verordnung. Wenn man also Tempo 50 überschreitet und abgestraft wird, kann man dagegen bis zum VfGH klagen.

Zu Jahresbeginn befand der VfGH, dass in den Gemeinden Bleiberg und Ebersdorf zweisprachige Schilder zu stehen hätten. Haider ließ daraufhin die einsprachigen Schilder einige Meter verrücken. Juristisch gilt das als Neuverkündigung der Verordnung. Wer nicht einverstanden sei, müsse diese erneut anfechten. Zuletzt tönte der Kärntner Landeshauptmann, er würde lieber auf Ortsschilder ganz verzichten, als noch eine zusätzliche zweisprachige Tafel aufzustellen.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hatte Mitte Mai einen Entwurf vorgelegt, der für insgesamt 158 Gemeinden und Ortschaften deutsch-slowenische Tafeln vorsah. Dann wurde mit Haider und den Slowenenverbänden tagelang um jedes Schild gerungen. Der letzte Woche ausgehandelte Kompromiss geht hinter den Schüssel-Vorschlag zurück: zweisprachige Tafeln gelten für Ortschaften mit mindestens zehn Prozent Minderheitenanteil, wenn gleichzeitig in der gesamten Gemeinde 15 Prozent Slowenen leben. Das ergibt 141 Schilder. Also 50 zusätzlich zu den 91, die seit den 70er–Jahren aufgestellt worden sind.

Haider ließ sich darauf ein unter der Voraussetzung, dass die Lösung in den Verfassungsrang gehoben wird und damit vom Verfassungsgerichtshof nicht mehr beanstandet werden kann. Dafür bedarf es der Stimmen der SPÖ. Parteichef Gusenbauer will nicht als Verhinderer dastehen und hat Zustimmung signalisiert. Nicht einverstanden sind die Grünen und manche Verfassungsrechtler. Der Staatsvertrag werde mit diesem Pakt unterlaufen. Zudem gebe sich die Regierung für die Aufstellung der Tafeln ungebührlich viel Zeit: bis Ende 2009. RALF LEONHARD