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Archiv-Artikel

Nur Farbe hält Rohre zusammen

BP-PLATTFORM „Valhall“ wird als schrottreifes Schreckensbeispiel beschrieben. Kein Einzelfall: Viele der Plattformen in der Nordsee haben ausgedient

STOCKHOLM taz | „Ein Arbeiter, der Farbe von einem Rohr abkratzen wollte, stand plötzlich in einer Ölfontäne. Wir hatten Probleme mit eisenfressenden Bakterien, und viele Rohre bestanden fast nur noch aus Farbe.“ Am Montag berichtete ein Insider in der norwegischen Tageszeitung Dagbladet über die unglaublichen Zustände auf den Ölförderanlagen des „Valhall“-Offshore-Feldes in der Nordsee. Der Betreiber: BP.

Die Dagbladet-Quellen bezeichnen die BP-Plattform als schlimmstes Beispiel nicht ausreichend gewarteter Förderanlagen im norwegischen Sektor der Nordsee und als regelrechten Schrotthaufen. „Die Rohre waren so verrostet, dass es fast nicht mehr möglich war, sie auseinanderzuschrauben“, berichtet ein ehemaliger Arbeiter. Ein anderer beschuldigt BP, notwendige Wartungsarbeiten aus Kostengründen und ohne Rücksicht auf die Sicherheit so lange wie möglich hinauszuzögern.

Die Kritik an BP und der vernachlässigten „Valhall“-Installationen sind nicht neu. 2006 berichtete ein Gewerkschaftsvertreter im Fernsehen, Arbeiter weigerten sich mittlerweile, dort zu arbeiten, da die in den 1980er Jahren errichtete Plattform sechs Meter abgesunken sei. Statt wie gefordert eine neue Wohnplattform zu errichten, hatte BP eine Ausnahmegenehmigung für den Weiterbetrieb beantragt und von der staatlichen Ölaufsichtsbehörde Petroleumtilsynet auch erhalten.

Der Konzern bestreitet, die gefährlichsten Schrottplattformen der Nordsee zu betreiben. BP verweist auf Petroleumtilsynet. „Wären wir der Meinung, die Anlage sei nicht sicher, würden wir sie dichtmachen“, sagt Inger Anda, Pressesprecherin von Petroleumtilsynet. Er gesteht aber zu, dass die Behörde nur begrenzte Kontrollmöglichkeiten habe: „Wir sind eine Aufsichtsbehörde, keine Polizei. Verantwortlich für die Sicherheit sind die Betreibergesellschaften.“

Wie sich Betreiber und Behörde gegenseitig die Verantwortung zuschieben, findet Frederic Hauge von der Umweltschutzorganisation Bellona beunruhigend: „Man muss sich fragen, was in der Nordsee eigentlich anders läuft als im Golf von Mexiko.“ Das Problem sei, dass viele Offshore-Anlagen nach einem Betrieb von 25 bis 30 Jahren mittlerweile das Lebensalter überschreiten, für das sie ursprünglich konstruiert worden seien.

Das sieht man bei Petroleumtilsynet ähnlich. Rund die Hälfte der Plattformen habe ausgedient. In einem 2009 veröffentlichten Risikobericht der Behörde über den Zustand der Offshore-Anlagen heißt es: „Aufgrund des hohen Durchschnittsalters der Anlagen und der Wünsche der Betreiber, deren Lebenszeit zu verlängern, wachsen die Anforderungen.“ Die Wartung müsse „teilweise deutlich besser“ werden. Weiter heißt es: „Es drohen Großunglücke.“

„Die Politiker sollten diese Berichte lesen und nicht nur die Pressemeldungen der Ölkonzerne, bevor sie behaupten, in der Nordsee sei die Sicherheit viel besser“, sagt Frederic Hauge. „Das ist ein falscher Glaube“, sagt auch Terje Nustad, Vorsitzender der Ölarbeitergewerkschaft Safe: Alltag in der Branche sei auch nach der „Deepwater Horizon“-Katastrophe, dass Sicherheitsgrenzen überschritten und Gefahrensignale nicht ernst genommen würden. REINHARD WOLFF