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Archiv-Artikel

Warschau ärgert sich weiter über Satire

Polens Präsidentensprecher kritisiert ausbleibende Reaktionen der deutschen Bundesregierung auf den taz-Artikel. Die Regierungspartei PiS will den Justizminister beauftragen, die Möglichkeit einer Klage gegen die Zeitung prüfen zu lassen

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

Verschwörungstheorien stehen in Polen wieder einmal hoch im Kurs. „Wir sind nicht zufrieden mit der Reaktion der Bundesregierung“, erklärte Polens Präsidentensprecher Maciej Łopiński im polnischen Rundfunk. Der Streit über die taz-Satire über Polens Staatspräsident ist also noch immer nicht ausgestanden.

Przemysław Gosiewski, der Fraktionsvorsitzende der regierenden Recht und Gerechtigkeit (PiS), wurde deutlicher: „Was müssen wir eigentlich noch in der deutschen Presse lesen, um aus Berlin einen Ausdruck der Solidarität mit der attackierten Regierung, dem Präsidenten und dem polnischen Volk zu hören?“, fragte er in Polens größter Zeitung, dem Boulevardblatt Fakt. Nazi-Zeitungen wie der Stürmer hätten sich einer ähnlichen Sprache bedient, meint Gosiewski. „Warum wendet ein Teil der deutschen Journalisten identische Methoden an, um die Polen zu erniedrigen?“

Eine Attacke auf ein Staatsoberhaupt sei eine zwischenstaatliche Angelegenheit und müsse auch so geregelt werden. Es gehe nicht mehr nur um eine Zeitung und eine beleidigte Person. „Es empört uns das Fehlen jeglicher Reaktion vonseiten der deutschen Regierung, der Politiker und Eliten.“

Für Gosiewski geht es nicht mehr nur um Satire. „Ich bemerke in letzter Zeit eine Hasssprache in den deutschen Medien gegenüber den Polen und ihren demokratisch gewählten Vertretern. Wenn das nicht rechtszeitig gestoppt wird, fürchte ich, dass es sich auf die offiziellen Beziehungen auswirken wird.“ Dies wäre ein ernster Fehler. „Umso mehr, als noch Menschen leben, die sich an die damalige Hasssprache erinnern.“

In Polen sind Eingriffe in die Pressefreiheit gang und gäbe. Das Land ist 2005 auf der Rangliste der Pressefreiheit, die von Reporter ohne Grenzen veröffentlicht wird, vom 37. auf den 57. Platz gefallen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen wird auch 17 Jahre nach dem Fall des Kommunismus in Polen als Eigentum der jeweils regierenden Partei betrachtet. Nach jedem Regierungswechsel werden die Intendanten und viele Ressortleiter entlassen. So war es auch dieses Mal. Statt leicht links gefärbter Berichterstattung wird den Polen ausgesprochen konservative Kost vorgesetzt. Verfehlt ein Redakteur den richtigen Ton, kann er sich am nächsten Tag schon auf der Straße wieder finden. Gut behaupten konnten sich bislang Privatsender und die meisten Zeitungen. Doch seit kurzem gibt es einen staatlichen Ethikrat der Medien, der extrem hohe Geldstrafen verhängen darf und auch gern davon Gebrauch macht.

Aus Angst vor diesen Strafen üben sich viele Journalisten in vorauseilendem Gehorsam. Als vor kurzem gefordert wurde, dass die Abgeordneten eine Liste aller Journalisten haben müssten, gegen die Prozesse anhängig seien, gab es nur noch matten Protest. Zumindest die Daten von Journalisten, gegen die wegen „nichtjournalistischer Verfehlungen“ ermittelt werde, sollten nicht weitergegeben werden.

Auch die taz muss sich nun auf eine Klage gefasst machen. Zumindest wenn es nach der Fraktion der regierenden PiS geht. Sie will Justizminister Zbigniew Ziobro damit beauftragen, zu prüfen, ob die taz wegen Beleidigung des polnischen Staatsoberhauptes belangt werden kann.

Zwar wiegelt Andrzej Krawczyk, Minister in der Präsidialkanzlei, ab. Man wolle keine Eskalation der Affäre und akzeptiere, dass die Bundesregierung sich prinzipiell nicht zu Presseartikeln über ausländische Staatsoberhäupter äußere. Doch Jarosław Kaczyński, Zwillingsbruder des Präsidenten und Parteivorsitzender der PiS, meinte in einem Kurzkommentar, dass die polnische Regierung nicht scharf genug gegen die Satire protestiert habe.