: Ein Minister mit vielen Talenten
FRANKREICH Neue Enthüllungen über Zahlungen an die Regierungspartei und einen dubiosen Grundstücksverkauf. Wieder beteiligt: Minister Eric Woerth
AUS PARIS RUDOLF BALMER
Alles nur Lüge und üble Verleumdung, hatte Präsident Nicolas Sarkozy zu den peinlichen Enthüllungen in der Bettencourt-Affäre gesagt. Wenn er glaubte, mit seinem gut inszenierten Auftritt und seinem Machtwort einen Schlussstrich unter diese Fortsetzungsgeschichte gesetzt zu haben, hat er sich getäuscht. Die Französinnen und Franzosen, die sich seine Onemanshow angesehen haben, ließen sich mehrheitlich nicht überzeugen. Laut einer Umfrage für die Zeitung Le Parisien fanden 57 Prozent der Leute den Präsidenten nicht glaubwürdig. 62 Prozent finden seine Auskünfte zur Bettencourt-Affäre und sein Plädoyer für den unter Beschuss geratenen Minister Eric Woerth unbefriedigend. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte auch Le Figaro.
Selbst die Tatsache, dass am Tag nach seinem Fernsehauftritt Arbeitsminister Woerth folgsam seinen „Ratschlag“ beherzigte und seinen Rücktritt als Schatzmeister und Spendeneintreiber der Regierungspartei UMP per 30. Juli ankündigte, verminderte den Druck auf die Regierung kaum. Im Gegenteil entstand dadurch der Eindruck, dass Woerth damit einräumte, zwischen seiner Rolle als Minister und seinem Amt als Schatzmeister der UMP bestehe eben doch ein Interessenkonflikt.
Und es dauerte natürlich nicht lange, bis die Presse neue Enthüllungen zu Tage förderte. So publizierte der Nouvel Observateur prompt ein neues Dokument, das vor dem Beginn der Präsidentschaftskampagne von 2007 die Modalitäten von Spenden der Bettencourt-Familie für die UMP und einen gewissen „NS“ erwähnt, die zu Händen von Woerth gehen sollten. Ähnlich kompromittierend für denselben Woerth sind die Berichte der Wochenzeitung Le Canard Enchaîné und des Magazins Marianne über einen Grundstücks-Deal in Compiègne, unweit von Chantilly, wo Woerth seit 1995 Bürgermeister ist. Sechs Tage vor seinem Wechsel vom Haushalts- ins Arbeitsministerium habe Woerth persönlich noch schnell einen Grundstückverkauf abgewickelt.
Ein 57 Hektar großes Gelände mit einem Golfplatz und einer Pferderennbahn, das dem staatlichen Forstamt gehörte, wurde von Woerth gegen den Willen des Landwirtschaftsministeriums für 2,5 Millionen Euro an die von einem Bekannten Woerths geleitete private Rennsportvereinigung Société des courses de Compiègne (SCC) abgetreten. Den Berichten zufolge soll dieser Preis nur ein Zehntel des Marktwerts betragen. Schockierend daran sei nicht nur der Freundschaftspreis, sondern auch die Tatsache, dass der Verkauf nicht öffentlich ausgeschrieben wurde. SCC arbeitet eng mit der Vereinigung „France Galop“ der Ministergattin Florence Woerth zusammen. Was wie so vieles in dieser vielfältigen Affäre reinster Zufall sein muss …
Sorgen muss sich die Staatsführung auch wegen weiterer Ermittlungen machen. Die Vorsitzende des Strafgerichts von Nanterre, Isabelle Prévost-Desprez, darf jetzt eine eigene Voruntersuchung gegen Woerth und die UMP einleiten. Das entschied das Berufungsgericht in Ablehnung eines Einspruchs des ermittelnden Staatsanwalts und Sarkozy-Freunds Philippe Courroye.