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Archiv-Artikel

Hitzefester Oberfranke

AUSTRALIAN OPEN Florian Mayer wirkt in der Jetset-Welt des Spitzentennis wie ein Fremdkörper. Erfolgreich ist er dennoch. Erstmals in seiner Karriere steht der deutsche Antistar in Melbourne im Achtelfinale

MELBOURNE taz | Er wusste immer, was die anderen sagen. Der Flo kann in der Hitze nicht spielen; der Flo mag keinen Wind; wenn’s hart auf hart geht, zieht er den Kopf ein, der Flo. Aber das vergessen wir jetzt mal. Gemessen an den Ereignissen der heißesten Woche der Geschichte der Australian Open muss man sagen, dass Florian Mayer der Welt des Tennis mit Bravour ein anderes Bild von sich zeigte. Ein Bild, das auch ihm selbst viel besser gefällt und das zu einer selbstbewussten Ankündigung passt. „Ich bin jetzt mit 30 an einem Punkt in meiner Karriere angekommen, wo ich mich frage: Was will ich noch erreichen? Ich will noch zwei Jahre Vollgas geben.“

Die Prüfungen dieser Woche überstand er, Mittwoch mit einem Sieg in fünf Sätzen bei Höllenhitze gegen den Russen Michail Juschni, Nummer 15 der Welt, und Freitag bei über 40 Grad gegen Jerzy Janowicz, Nummer 20 der Welt. Zugegeben, der Pole war nur ein erschöpfter Schatten seiner selbst. Er hatte wegen einer Fußverletzung zuletzt kaum trainiert und leistete kaum Widerstand. „I was completely kaputt“, meinte er hinterher in einer interessanten deutsch-englischen Kombination. Nach dem Ende dieses ersten Satzes stand für Mayer kein einziger unerzwungener Fehler zu Buche, wofür er die Erklärung präsentierte, er sei gar nicht dazu gekommen, Fehler zu machen, weil Janowicz entweder den Punkt gemacht oder den Ball ins Aus gespielt habe.

Aber auch mit formschwachen Gegnern muss man umgehen können; ein Durcheinander im Spiel des Gegners führt bisweilen dazu, dass man selbst die Übersicht verliert. Zumal, wenn einem die Sonne alle Kraft aus dem Körper zieht und man nur noch einen Wunsch hat: möglichst schnell ein kühles, schattiges Plätzchen zu finden.

Mayer sagt, es mache ihn stolz, unter diesen Umständen zwei Spiele gegen gute Gegner gewonnen und nun zum ersten Mal in seiner Karriere in Melbourne im Achtelfinale gelandet zu sein. Es ist sein größter Erfolg außerhalb der schmiedeeisernen Tore des All England Club. Zweimal hatte er in Wimbledon das Viertelfinale erreicht, 2004 als staunender Debütant und 2012 im zweiten Teil seiner Karriere. In Wimbledon ist es gewöhnlich schön kühl. Heißer Wind strömt da nur aus dem Händetrockner im Umkleideraum. Da fühlt er sich wohl, bei vielen anderen Turnieren tat er das lange nicht.

Bei den US Open überraschte er im vergangenen Jahr mit dem Geständnis, kurz vorher schnell mal nach Hause geflogen zu sein, um ein paar Tage in der Wohlfühlzone zu verbringen – eine Maßnahme, die von manchen belächelt wurde. Aber sie bewährte sich; zum ersten Mal erreichte er in New York die dritte Runde, bevor er an Titelverteidiger Andy Murray scheiterte.

Mayer ist keiner, der sich wie Novak Djokovic früh in die Rolle des Weltbürgers verliebte. Er stammt aus Oberfranken, wo man eher nicht dazu neigt, sich allzu wichtig zu nehmen. Schrille Töne waren ihm immer fremd. Rückschläge nahm er sich sehr zu Herzen, manchmal fühlte er sich gefangen in dunklen Gedanken, und zwischendurch hatte er sich schon mal weit vom Tennis entfernt.

Aber das ist Geschichte, und bei der neuen Einstellung spielen die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit eine Rolle. „So wie letztes Jahr will ich einfach nicht mehr spielen“, sagt er: „Es war enttäuschend, wie ich Matches verloren hab. Keiner kann mir helfen auf dem Platz, wenn ich mit schlechter Körpersprache rumlaufe, dafür bin ich nur selbst verantwortlich.“ Das ist kein schlechter Ansatz, obwohl man sich natürlich fragen kann, warum er so lange dafür brauchte. Aber nicht jeder rauscht mit Tempo 200 durchs Leben.

Bei seinem Plan, so schnell wie möglich unter die besten 32 der Weltrangliste zurückzukehren, um bei den Grand-Slam-Turnier gesetzt zu sein, war die Resistenz gegen Hitze und Wind eine Hilfe, von einem weiteren Sieg gar nicht zu reden. Sonntag wird Florian Mayer, der letzte Botschafter des deutschen Männertennis in Melbourne, im Achtelfinale gegen David Ferrer spielen, die Nummer drei der Welt. Die letzte gemeinsame Begegnung gewann Mayer vor ein paar Monaten beim Turnier in Schanghai, alles Weitere wird sich zeigen. DORIS HENKEL