Mehr als ein Lifestyle-Gag
: KOMMENTAR VON BARBARA DRIBBUSCH

Die Party soll immer weitergehen. Verlängerte Ladenöffnungszeiten bis in die Nachtstunden hinein sollten schon während der Fußballweltmeisterschaft die Feierstimmung anheizen. Jetzt überbieten sich die Bundesländer in Ankündigungen, den Ladenschluss völlig freizugeben, wenn die Föderalismusreform das alsbald möglich macht.

Gilt also bald „shop around the clock“? Die Freigabe der Ladenöffnungszeiten belegt einen Wandel: Kaufen und Schaufensterbummeln sind zum Teil der Freizeitkultur geworden, so wie in den US-amerikanischen Kaufzentren, den Malls, in denen die Bürger am Wochenende shoppen gehen, sich treffen und Kaffee trinken.

Dabei geht es schon längst nicht mehr um alltagspraktische Fragen. Bislang sind Öffnungszeiten ja schon bis 20 Uhr erlaubt – fast jeder gestresste Workaholic schafft es also, nach Büroschluss noch Milch und Brot zu kaufen. Politiker verkaufen die Freigabe des Ladenschlusses denn auch nicht nur als eine wirtschaftspolitische, sondern auch als kulturelle Maßnahme: Die Kaufoption bis in die Nachtstunden offen zu halten, sei ein Merkmal für Modernität – gewissermaßen Internetshopping rund um die Uhr, nur eben mit wirklichen Geschäften.

Das soll irgendwie cool wirken. Nur sind deutsche Kleinstädte eben nicht New York. Die großen Kaufcenter werden hiervon zwar profitieren. Den Preis dafür zahlen aber wie immer die kleinen Läden, die durch Supermärkte verdrängt werden. Auch fest angestellte VerkäuferInnen mit Familien dürften unter den Spätschichten leiden – schon der frühere „lange Donnerstag“ wurde vom Verkaufspersonal als „Schlado“, als „scheißlanger Donnerstag“, bezeichnet. Und neue Jobs wird es vor allem für studentische oder andere Nebenjobber geben, die schon heute in den Abendstunden an den Kassen der Supermärkte sitzen.

Längere Öffnungszeiten werden dazu führen, dass im Handel das Dienstleistungsproletariat aus Niedriglöhnern weiter wächst – wie sonst soll sich ein Supermarkt das Personal leisten können? Die geplante Freigabe des Ladenschlusses ist Lifestyle-Politik: leicht zu machen, weil man dafür keine Staatsgelder ausgeben muss. Aber die Kosten dafür tragen andere.