„Genügend Talente“

Mit Pferden und Ahnen, aber erst mal ohne Sarah Kuttner: WDR-TV-Chef Ulrich Deppendorf verordnet seinem Sender eine kleine Verjüngungskur

INTERVIEW Hannah Pilarczyk

taz: Herr Deppendorf, ab dieser Woche testet der WDR acht neue Formate. Ein Ziel: Das WDR-Fernsehen soll verstärkt jüngere Zuschauer von 20 bis 49 Jahre ansprechen. Bislang ist das WDR-Publikum im Durchschnitt 61 Jahre alt. Was machen diese jungen Formate anders machen als die alten?

Ulrich Deppendorf: Die Ideen für die Formate kamen aus unserem internen Ideenpool, den wir im November vergangenen Jahres eingerichtet haben. Die Auswahl der Ideen, die wir nun umsetzen, erfolgte streng nach der Maßgabe, was dem Lebensbereich der jüngeren Zielgruppen entspricht. Außerdem wollen wir eine modernere Bildsprache ausprobieren.

Bei Formaten wie „NRW auf acht Hufen“, einer Reiter-Doku-Soap, oder „Vorfahren gesucht – Abenteuer Ahnenforschung“ fällt es einem schwer, den Bezug zu jüngeren Zielgruppen zu finden.

Aus den USA wissen wir, dass Sendungen zur Ahnenforschung sehr erfolgreich sein können. Außerdem ist Reiten ein großes Thema unter jüngeren Zuschauern.

Wer hat Ihnen denn das verraten?

Das haben uns zum Beispiel die Mitglieder unserer AG Innovation, in der wir junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versammelt haben, bestätigt.

Ihre Experimentierfreude in allen Ehren, aber warum bekommen manche Formate gerade mal drei Ausgaben, um sich zu beweisen?

Wir sind uns sicher, dass unsere Medienforscher uns bereits nach dieser Zeit aussagekräftige Zahlen darüber liefern können, ob wir mit den neuen Formaten auch wirklich die Zielgruppen ansprechen, die wir ansprechen wollten.

Welche Quote müssen die Formate erreichen, um sich über die Testphase hinaus längerfristig durchzusetzen?

Die Formate müssen auf ihren unterschiedlichen Sendeplätzen deutlich zeigen, dass sie in den avisierten Altersgruppen erfolgreich sind.

Nun ist der Durchschnittszuschauer des WDR nicht über Nacht 61 Jahre alt geworden – warum ist nicht früher dagegengesteuert worden?

Generell verliert der WDR ja keine Zuschauer, im Gegenteil: Wir sind das einzige Dritte, das auf dem Gesamtmarkt zugelegt hat. Allerdings bemerken wir, dass sich die 20- bis 49-Jährigen nicht mehr so stark von den Öffentlich-Rechtlichen angesprochen fühlen, wie das zum Beispiel in meiner Altersgruppe der Fall ist. Diesem Trend wollen wir nun gegenhalten.

Die Abkehr der jüngeren Zuschauer von ARD und ZDF legt nahe, dass man sich zumindest in der ARD darüber abstimmt wird, wie man diese Gruppe wieder stärker für sich gewinnt. Koordinieren Sie sich innerhalb der ARD-Anstalten?

Nein, ich kann hier nur für den WDR sprechen.

Wie passt es aber zu Ihrem Verjüngungsplan, dass Sie eine Probesendung mit der bei MTV abgesägten Moderatorin Sarah Kuttner aufnehmen, eine Übernahme ins WDR-Programm aber ablehnen mit der Begründung, sie würde eine zu junge Zielgruppe ansprechen?

Die Probesendung mit Sarah Kuttner haben wir bereits vor Monaten aufgenommen und uns nach Ansicht für ein anderes Konzept entschlossen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht zu einem späteren Zeitpunkt noch mal etwas anderes mit Frau Kuttner ausprobieren werden. Momentan haben wir aber auch genügend Talente aus dem eigenen Haus, denen wir eine Chance geben wollen.

Seit Längerem heißt es in Köln, der Sender arbeite an einer jüngeren Ausgabe des WDR-Politmagazins „Monitor“ mit dem Arbeitstitel „Studio M“. Was ist denn daraus geworden?

Über „Studio M“ ist noch keine Entscheidung gefallen. Tatsache ist, dass unter der Leitung von unserem Chefredakteur Jörg Schönenborn eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden ist, die ein jüngeres Format mit politischen Inhalten entwickeln soll. Das ist aber erst für nächstes Jahr geplant.

Dieses junge Polittalk-Format wird der Fernsehdirektor Deppendorf dann ja gar nicht mehr erleben – Sie wechseln wieder nach Berlin und übernehmen erneut die Leitung des Hauptstadtstudios. Warum warten Sie nicht ab, ob Ihre Verjüngungsoffensive beim WDR-Fernsehen Früchte trägt?

Da ich bis Ende April nächsten Jahres noch in Köln bin, sehe ich vielleicht die ersten Früchte durchaus wachsen.